Kurzfassung
Das genaue Verständnis biologischer Funktionen setzt die
Kenntnis der Struktur der beteiligten Moleküle voraus. Die
Aufklärung der Struktur von Proteinen und anderen biologischen
Makromolekülen bis zu atomarer Auflösung erfolgt mit Methoden
der Kristallographie. Für diese sehr großen und komplex
aufgebauten Moleküle reichen die in einem gemessenen
kristallographischen Datensatz enthaltenen Intensitäten von
Reflexen meist nicht zur Rekonstruktion der molekularen Struktur
aus. Auch die Phase der Streuung muß ermittelt werden, ist
jedoch nicht direkt zu messen. Die in der Proteinkristallographie
gängigen Verfahren zur Bestimmung der Streuphase basieren auf
der Lokalisierung schwerer, stark streuender Atome innerhalb
eines Moleküls. In natürlichen Proteinmolekülen ist
das schwerste vorhandene Element meist der Schwefel. Der Einbau
schwererer Atome ist nicht immer möglich oder er kann die
Struktur verändern. Die Lokalisierung des Schwefels kann unter
Nutzung der anomalen Dispersion der Streuung gelingen, ein
möglichst großes anomales Signal ist an der
K-Absorptionskante des Schwefels zu messen.
Die Messung der anomalen Dispersion des Schwefels als natürliche Markierung in einem Makromolekül mit einem so optimierten anomalen Signal erfordert die Verwendung von Wellenlängen der Röntgenstrahlung größer 5 Å . Damit bestimmt die Vermeidung der hohen Absorption der Strahlung beim Durchgang durch Materie den experimentellen Aufbau. Ein Instrument, das nach dieser Vorgabe gebaut worden ist, befand sich am Strahl A1 des HASYLAB. Während der Durchführung dieser Arbeit wurden eine Reihe von technischen Verbesserungen durch die Arbeitsgruppe realisiert und die ersten größeren kristallographischen Datensätze gemessen. In dieser Situation war eine automatisierte Datenauswertung notwendig. Einer der Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit bestand in der Entwicklung von Verfahren, die für die sehr spezialisierten Gegebenheiten des Instruments und der eingesetzten Methode geeignet sind. Ziel war es dabei, trotz teilweise sehr geringer Qualität der Daten stabile und verläßliche Lösungswege zu finden. Auf der Basis eigener Routinen wurde dann ein bewährtes Programmpaket für den Schritt der Datenreduktion, XDS, angepaßt. Damit wird gezeigt, daß auch die sehr spezialisierten Anforderungen der Proteinkristallographie mit Röntgenstrahlung langer Wellenlänge an die Datenanalyse erfüllt werden können. Auch wurde eine Voraussetzung dafür geschaffen, gemessene Daten zur Aufklärung noch nicht bekannter Molekülstrukturen einzusetzen.
Der zweite hier behandelte Schwerpunkt sind die Messungen an Kristallen des ribosomalen Protein-Komplexes L8. L8 ist ein Pentamer von Proteinen, dessen dreidimensionale Struktur bis jetzt noch nicht mit hoher Auflösung gelöst wurde. Die Arbeit mit diesen Kristallen zeigt drei typische Probleme bei Messungen mit langen Wellenlängen und der Nutzung der anomalen Dispersion des Schwefels. Um die hohen Strahlenschäden zu vermeiden, müssen geeignete Salzlösungen für das Kühlen während des Streuexperiments gefunden werden. Die zu messende Intensität der Reflexe nimmt für Proteinkristalle oft mit höherer Auflösung sehr stark ab. Bei ohnehin geringem Verhältnis von Signal zu Untergrundrauschen bedeutet dies eine begrenzte Auflösung der gesammelten Daten. Die Analyse der Daten wird erschwert durch die im Vergleich zu Markierungen in anderen Anwendungen der MAD--Methode relativ hohe Zahl von Schwefelatomen im Molekülkomplex, die eine Lokalisierung der Schwefelatome nicht ohne weiteres zuläßt. Am L8 werden exemplarisch die Schwierigkeiten und Grenzen der Methode der Proteinkristallographie an der K-Absorptionskante des Schwefels aufgezeigt. Mit Abschluß der experimentellen Arbeiten am verwendeten Instrument, die eine sehr spezialisierte Meßmethode einsetzten, werden hier die notwendigen Techniken, eine für die Methode angepaßte, ebenfalls sehr spezialisierte Datenauswertung und die Anwendung auf ein Beispiel beschrieben und diskutiert.
A precise understanding of biological functions requires the structural knowledge about the molecules involved. The structure of proteins and other biological macromolecules can be solved to atomic detail by crystallographic methods. However, the structure of these large and complex molecules is not fully determined by the scattering intensities of a crystallographic data set. The scattering phases are necessary for a full reconstruction, but not directly accessible by measurements. In protein crystallography, the usual procedure to obtain the phases is by localizing heavy, strongly scattering atoms within the molecule. In most native proteins sulphur is the heaviest element. Binding heavier atoms at a specific site is not always possible or may disturb the three-dimensional structure. The sulphur atoms may be localized using the anomalous dispersion of the scattering, which is largest at the K-absorption edge of sulphur.
Measuring this optimized anomalous signal of sulphur as a native label in a macromolecule means using X-ray wavelenghts larger than 5 Å . Consequently the strong absorption determines the experimental setup, which has been realized at HASYLAB beamline A1. During the work presented here several technical improvements have been implemented by the group. So aquisition of the first larger crystallographic data sets became possible. Having achieved this there was a need for an automatized data analysis. Therefore one of the crucial points of this thesis is the development of procedures suitable for the specialized instrument and method. Despite partly very poor data quality, stable and reliable solutions were aimed for. On the basis of own routines an approved software package has been adapted. In this way it is shown that the very specialized requirements of protein crystallography using long wavelength X-rays can be met on the side of data analysis. This provides a basis for solving macromolecular structures previously unknown.
The second main topic of this thesis are the measurements on crystals of the ribosomal protein complex L8. The three-dimensional structure of L8 has not been solved to atomic detail yet. Three typical problems of using long wavelength X--rays have been encountered. To avoid radiation damage salt solutions suitable for cooling the crystals during exposure had to be found. Reflection intensities from protein crystals may fall off rapidly with increasing resolution. Taking into account a low signal to noise ratio this limits the resolution available in the data drastically. Further the data analysis is complicated by the higher number of sulphur atoms per molecule compared to other labels commonly used with the MAD method. Thus localizing the sulphur is not a straightforward task. The work with L8 demonstrates difficulties and limitations of protein crystallography at the K-absorption edge of sulphur. With the termination of experimental work at the instrument used, employing a very particular kind of measurements, here the necessary techniques, an accordingly very specialized data analysis, and an application of the method are described and discussed.