Uwe Wolter, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2004 :

"Flecken-Entwicklung und differentielle Rotation des ultraschnellen Rotators Speedy Mic"


"Spot evolution and differential rotation of the ultrafast rotator Speedy Mic"



Schlagwörter: astronomy and astrophysics; dwarf stars; stellar magnetism; stellar rotation; optical tomography; inverse problems
PACS : 95.75 97.20

Summary

Kurzfassung

Eine Vielzahl von Erscheinungen der Sonnenatmosphäre wird unter dem Begriff Sonnenaktivität zusammengefasst. Auch auf anderen Sternen werden Aktivitätsphänomene beobachtet, die anscheinend eine Ähnlichkeit zu denen der Sonne aufweisen. Stellare Aktivität steht in engem Zusammenhang zu magnetohydrodynamischen Prozessen in stellaren Konvektionszonen.
Vermutlich führen komplexe Strömungen des konvektierenden Plasmas im Zusammenspiel mit der Rotation des Sterns zu einem selbsterregenden Dynamo. Die Beobachtung differentieller (d.h. nicht starrer) Oberlächenrotation ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Dynamik äusserer stellarer Konvektionszonen. Ein auffälliges Zeichen solarer Aktivität sind Sonnenflecken; auch die Oberflächen anderer Sterne als der Sonne zeigen dunkle Flecken. In welchem Maße diese Sternflecken analog zu Sonnenflecken sind, ist gegenwärtig weitgehend unbekannt; das gilt ebenso für die Prozesse, die ihre Eigenschaften bestimmen.
Doppler-Tomographie überwindet die Beugungsbegrenzung der Auflösung direkter und interferometrischer Abbildungsverfahren, indem sie die rotationsmodulierte Information in Sternspektren ausnutzt. Derzeit ist Doppler- Tomographie die einzige Methode zur Erzeugung aufgelöster Oberflächenbilder sonnenartiger Sterne.
Nach einer Darstellung von Beobachtungsergebnissen und theoretischer Grundlagen beschreibt der erste Teil dieser Arbeit das Doppler-tomographische Verfahren CLDI (CLEAN-like Doppler imaging = CLEAN-artige Doppler- Tomographie). CLDI wurde als Teil dieser Arbeit entwickelt, aufbauend auf den Arbeiten von Kürster (1991). CLDI wurde weiterentwickelt und in die Lage versetzt, Doppler-Bilder hoher Auflösung zu erzeugen.
Umfangreiche Tests zeigen, dass die Leistungsfähigkeit von CLDI verbessert worden ist. Im Gegensatz zu Maximum-Entropie-Methoden ist CLDI kein explizites Optimierungsverfahren; die daraus resultierenden grundlegenden Beschränkungen wurden für CLDI systematisch untersucht. Es wird vorgeschlagen, CLDI zu verwenden, um die Zuverlässigkeit von Doppler- Bildern anderer Verfahren zu prüfen. Seine teilweise methodische Unabhängigkeit von anderen Verfahren macht CLDI für ein solches Verfahren geeignet.
Der zweite Teil dieser Arbeit enthält eine Darstellung des Verfahrens sLSD (selective least-squares deconvolution = selektive Quadratmittel-minimierende Entfaltung). sLSD dient der Entfaltung von Spektren schnellrotierender Sterne und baut auf dem Verfahren LSD auf, das von Donati et al. eingeführt wurde. Als eine Weiterentwicklung von LSD ist sLSD auf eine Anwendung auf relativ schmalen Wellenlängenbereichen ausgerichtet; dadurch können indivduelle Eigenschaften der zu entfaltenden Spektrallinien berücksichtigt werden. sLSD verwendet eine Tichonov- Regularisierung, um sein Funktionieren auf schmalen Spektralbereichen zu unterstützen. Die Konsistenz der Ergebnisse von sLSD wurde durch seine Anwendung auf verschiedene Spektralbereiche und Musterspektren überprüft.
Der dritte Teil beschreibt die Resultate dieser Arbeit über den ultraschnell rotierenden, hochaktiven sonnenartigen Vorhauptreihenstern Speedy Mic (= HD197890, K2V, Prot=0.380 days). Im Rahmen dieser Arbeit wurde mit dem Spektrographen UVES am Very Large Telescope (VLT) eine spektrale Zeitserie von Speedy Mic aufgenommen, die eine homogene Qualität und eine dichte Abdeckung der Rotationsphasen zweier stellarer Umdrehungen aufweist. Diese Zeitserie wurde für die Konstruktion zweier Doppler-Bilder mit Hilfe von CLDI verwendet. Die Auflösung dieser Doppler-Bilder wurde zu etwa zehn Grad auf der Oberfläche Speedy Mics bestimmt, indem Rekonstruktionen von verschiedenen Untermengen der spektralen Daten verglichen wurden.
Die Doppler-Bilder Speedy Mics weisen im Gegensatz zu den meisten anderen ultraschnell rotierender K-Zwergsternen keinen polaren Fleck auf. Sie zeigen, dass Großteile der Flecken auf Speedy Mic im Zeitraum zwischen den Doppler-Bildern, etwa 13 stellare Umdrehungen, auf allen aufgelösten Skalen stabil sind. Allerdings treten auch Veränderungen der Fleckenverteilung auf Skalen von bis zu etwa 30 Grad in stellarer Länge und Breite auf.
Diese Veränderungen führen zu einer aperiodischen Lichtkurve; dieses Verhalten wurde durch photometrische Beobachtungen zwischen den beiden Dopplerbildern bestätigt. Eine Analyse aller für Speedy Mic verfügbaren photometrischen Daten deutet darauf hin, dass Speedy Mic sowohl Zeiträume stabiler Fleckenverteilungen während einiger Wochen aufweist als auch Epochen wesentlicher Fleckenveränderungen während weniger Tage.
Die Stärke der differentiellen Rotation wurde aus einer Kreuzkorrelation der Doppler-Bilder mit ΔΩ/Ω <= 0.004+-0.002 nach oben abgeschätzt, er liegt also unterhalb von fünf Hundertsteln des solaren Wertes. Lediglich die Entwicklung der größten rekonstruierten Fleckengruppe liefert Hinweise auf eine mögliche antisolare differentielle Rotation. Anti-solar bedeutet hier, dass der Äquator mit höherer Winkelgeschwindigkeit rotiert als die polaren Regionen. Anti-solare differentielle Rotation sonnenartiger Sterne ist nicht durch grundlegende Argumente auszuschliessen, sie widerspricht jedoch gegenwärtigen theoretischen Modellen.
Eine teilweise Untersuchung der zeitabhängigen Emission im Kern der Ca II K Linie liefert Anzeichen von örtlich begrenzten Regionen chromosphärischer Aktivität auf Speedy Mic. Einige dieser Regionen scheinen langlebig zu sein, während andere nur kurz beobachtbar sind. Eine weitergehende Untersuchung auf der Grundlage der vorhandenen Daten wird vorgeschlagen, um eine weitergehende Lokalisierung dieser Regionen zu ermöglichen.

Titel

Kurzfassung

Summary

The Sun shows a variety of transient surface features which are summarized as solar activity. Activity phenomena, apparently similar to the solar case, are also observed on stars other than the Sun. Stellar activity is closely related to magneto-hydrodynamic processes in a star s convection zone. A dynamo is believed to operate in the outer convection zone of solar-like stars, generating magnetic fields by complex motions of the convecting plasma under the influence of rotation.
Differential (i.e. non-rigid) rotation of the stellar surface is an important indicator of the overall dynamics of a star s outer convection zone.
Sunspots are a conspicuous token of solar activity; dark spots can also be observed on the surface of stars other than the Sun. To which degree starspots are analogues of sunspots is presently only poorly known; the processes governing their lifetime and structure are largely unexplored.
Doppler imaging overcomes the diffraction-limitations of direct and interferometric imaging techniques by making use of information that is modulated into a star s spectrum due to its rotation. Doppler imaging is currently the only method to produce well-resolved images of solar-like stars.
After a selective review of the observational and theoretical foundation, the first part of this thesis describes a method for Doppler imaging called CLDI (CLEAN-like Doppler imaging). CLDI has been developed during this thesis, continuing the work of Kürster (1991). CLDI has been adapted to reconstructions at high surface resolution; its performance has been improved, as verified by extensive tests. Unlike maximum entropy Doppler imaging methods, CLDI is not an explicit optimization procedure; the resulting fundamental limitations of CLDI have been systematically studied. Due to the partial independence of CLDI s approach from other Doppler imaging methods, it is proposed as a means of checking the reliability of Doppler images reconstructed by other methods.
The second part presents the method sLSD (selective least-squares deconvolution), developed for the deconvolution of spectra of fast rotating stars; it is based on the method LSD introduced by Donati et al. (1997b). As an improvement compared to LSD, sLSD is well-suited for operating on relatively narrow wavelength ranges, allowing to account for individual characteristics of the deconvolved spectral lines. An important feature of sLSD is a Tikhonovregularization which enables it to work on narrow spectral ranges. The consistency of the line profile extraction by sLSD has been verified by applying it to different spectral ranges and template spectra.
The third part of this thesis describes results concerning the ultrafast rotating, highly active, pre-main-sequence solar-like star Speedy Mic (=HD197890, K2V, Prot=0.380 days). CLDI was applied to a densely phase sampled spectral time series of homogeneous quality covering two complete rotations of Speedy Mic. These spectra have been observed as a part of this thesis using the spectrograph UVES mounted on the Very Large Telescope (VLT). The reconstructed Doppler images were verified to have a resolution of about ten degrees on the stellar surface by systematically comparing reconstructions based on different wavelength regions and data subsets. In contrast to many ultrafast rotating K-dwarf stars, the Doppler images of Speedy Mic do not show a polar spot.
The Doppler images of Speedy Mic show that many features of the spot pattern have been stable on large, intermediate and even small scales during the about thirteen rotations between them.
However, a few spot reconfigurations have taken place on scales up to about 30 in stellar longitude and latitude.
These reconfigurations lead to an aperiodic behaviour of the lightcurve which has been confirmed by V-band photometry observed between the two Doppler images. An analysis of all photometric time series available for Speedy Mic was performed; its results indicate that Speedy Mic shows epochs of stable spot patterns for weeks as well as epochs of significant spot reconfigurations during a few days.
The differential rotation deduced from a cross-correlation of the Doppler images is weak compared to the Sun (ΔΩ/Ω <= 0.004+-0.002), i.e. less than five hundredth of the solar value. Only the evolution of the largest reconstructed spot group can be interpreted as caused by anti-solar differential rotation of the given strength. In this context, anti-solar means that the pole rotates faster than the equator in terms of the angular velocity ; anti-solar differential rotation of solar-like stars is not ruled out by fundamental arguments, but it contradics current theoretical predictions.
A study of the time-dependant core emission of the Ca II K line has been carried out for Speedy Mic. It has yielded indications of localized regions of chromospheric activity; there appear to be both stable and transient chromospherically active regions on Speedy Mic. A further study on the basis of the available data is suggested to allow a precise localization of these regions.