Ulrich Einhaus, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2021 :

"Entwicklung einer hochgranularen Auslese für eine Zeitprojektionskammer und ihre Vorteile im Rahmen von Teilchenidentifikation"


"Development of a highly granuler readout of a time projection chamber and its advantages for particle identification"



Summary

Kurzfassung

Diese Doktorarbeit betrachtet fortgeschrittene Techniken zur Teilchenidentifikation, insbesondere mittels dE/dx, in einem Teilchendetektor an einer zukünftigen Higgs-Fabrik. Der International Linear Collider (ILC) ist ein vorgeschlagener e+e −-Collider mit einer Schwerpunktsenergie von bis zu 500 GeV, der eine saubere Umgebung für Präzisionsmessungen des Standarmodells der Teilchenphysik ermöglichen wird. Dies umschließt eine beispiellose Vermessung des elektroschwachen Sektors und insbesondere des HiggsBoson. Neue Detektorkonzepte sind notwendig, um die dafür notwendigen Präzisionsmessungen zu ermöglichen. Ein vorgeschlagenes Konzept ist der International Large Detector (ILD), in dem als zentrale Spurkammer eine Zeitprojektionskammer (TPC) zum Einsatz kommt. Im Vergleich zu modernen Silizium-basierten Detektoren ermöglicht die TPC in ihrem gasförmigen sensitiven Volumen eine kontinuierliche Spurverfolgung, die eine exzellente Strukturerkennung und Spurrekonstruktionseffizienz sowie eine Messung des spezifischen Energieverlustes dE/dx liefert. Der spezifische Energieverlust eines geladenen Teilchens hängt von seinem Impuls und seiner Masse ab und kann zur Teilchenidentifikation (PID) genutzt werden. Diese Arbeit untersucht dE/dx in seinen verschiedenen Aspekten in einem Teilchendetektor, von einem neuartigen Ansatz einer TPC-Auslese, über detaillierte Simulationen, wie sich ein solcher Ansatz auf die PID auswirkt, über eine gesamt-ILD-Simulation von Teilchenidentifikation insbesondere mittels dE/dx, aber auch in Kombination mit Flugzeitmessung, bis hin zur Verwendung dieser PID-Algorithmen in gesamt-ILD-Physikanalysen und zu ihrer Auswirkung auf die Observablen. Im ersten Teil wird die Entwicklung eines neuartigen Ansatzes einer TPC-Auslese präsentiert. Sein Ziel ist die Kombination der Flexibilität einer Pad-basierten Auslese mit der Möglichkeit hoher Granularität einer Pixel-basierten Auslese. Er nutzt die direkte Auslese einer Padebene auf einer Leiterplatte (PCB) mittels eines Pixel-ASIC. Der herausfordernde Bonding-Prozess dieses Chips auf das PCB wird beschrieben zusammen mit den Lehren in Hinblick auf eine zukünftige Fortsetzung dieses Ansatzes. Das Rauschen im gebondeten System wird gemessen und mit einem simulierten Signal verglichen, was zeigt, dass ein S/N-Verhältnis von mehr als 10 erreicht werden kann und dieser Ansatz daher gangbar ist. Als nächstes werden die Vorteile einer hoch granularen TPC-Auslese für PID in ab-initio-Simulationen untersucht. Die konventionelle Methode dE/dx zu messen, die Ladungssummierung, wird mit höherer Granularität moderat besser. Unterhalb einer Padgröße von einigen 100 µm wird der Cluster-Zählungsalgorithmus effektiv, der die Anzahl der primären Ionisations-Cluster rekonstruiert. Diese Anzahl ist stärker mit dem Teilchenimpuls korreliert als die Ladungssumme, wodurch eine verbesserte PID ermöglicht wird, was quantifiziert und dargelegt wird. Eine Extrapolation zur ILD TPC zeigt, dass mit quadratischen Pads von 1 mm Höhe die effektive dE/dx-Auflösung um etwa 20 % verbessert würde, und um weitere 20 % mit Cluster-Zählung, was eine Padhöhe von unter 300 µm erfordern würde. Weiterhin wird Spur-basierte PID in einer gesamt-ILD-Simulation untersucht, mit einem Fokus auf dE/dx, aber auch unter Berücksichtigung von V0-Ermittlung und iii Flugzeitmessung (TOF). Eine dE/dx-Kalibrationsstrategie für MC-Produktionen wird dargelegt. Die dE/dx-Leistungsfähigkeit wird mit der von TOF kombiniert und ihre Komplementarität hervorgehoben. Schließlich wird die untersuchte PID auf Physikanalysen von ILC-Events in gesamtILD-Simulationen angewandt. Mittels TOF können Kaonen, die in ILC-Kollisionen erzeugt werden, ausgewählt und die Kaonmasse gemessen werden, wobei die verbleibende statistische Unsicherheit von der genutzten Zeitauflösung abhängt. Mit der Luminosität des vollständigen ILC-Programms bei 500 GeV von 4 ab−1 würde der statistische Fehler auf die Kaonmasse bei einer realistischen Zeitauflösung ausreichen, um die derzeitige Spannung zwischen den zwei führenden existierenden Messungen aufzulösen. In der zweiten Analyse wird Spur-PID im Flavour-Tag in hadronischen W-Zerfällen verwendet, um Zerfälle der ersten Quark-Generation von solchen der zweiten zu unterscheiden. Es wird gezeigt, dass dies zusätzliche Information liefert, die unabhängig vom LCFIPlus Flavour-Tag ist, der derzeit als Standard verwendet wird. Dies ermöglicht, Zerfälle der zweiten Generation mit höherer Effizienz auszuwählen, was die nutzbare Statistik bei hohem erforderten Reinheitsgrad um mehrere 10 % erhöht. Diese Steigerung hängt dabei stark von der erreichbaren dE/dx-Auflösung ab: Mit der Design-dE/dx-Auflösung des ILD von 4.5 % ist der Anstieg etwa 27 % bei einem Reinheitgrad von 0.99, mit einer schlechteren dE/dx-Auflösung von 7 % würde er auf 10 % zurückgehen. Wenn andererseits eine verbesserte dE/dx-Auflösung von 2.6 % erzielt werden könnte, d. h. mit der neuartigen Auslesetechnologie, die in dieser Arbeit vorgestellt wird, dann würde der Anstieg sogar 45 % erreichen.

Titel

Kurzfassung

Summary

This thesis adressess advanced particle identification techniques, in particular via dE/dx, in a particle detector at a future Higgs factory. The International Linear Collider (ILC) is a proposed e+e − collider with a centerof-mass energy of up to 500 GeV which will provide a clean environment to perform precision measurements of the Standard Model of particle physics. This includes an unprecedented survey of the electroweak sector and in particular the Higgs boson. New detector concepts are necessary to enable the required precision measurements. One proposed concept is the International Large Detector (ILD), which has a Time Projection Chamber (TPC) as its central tracker. Compared to modern silicon-based detectors, the TPC allows continuous tracking in its gaseous sensitive volume, which provides excellent pattern recognition and tracking efficiency, as well as a measurement of the specific energy loss dE/dx. The specific energy loss of a charged particle depends on its momentum and mass and can be used for particle identification (PID). This work studies dE/dx in its different aspects in a particle detector, from a novel hardware approach to a TPC readout, through detailed simulations how such an approach would affect PID, through a full-ILD simulation of particle identification in particular via dE/dx but also in combination with time-of-flight (TOF), to the application of these PID algorithms to full-ILD physics analyses and its effect on the physics observables. In the first part, the development of a novel approach of a TPC readout is presented. Its goal is to combine the flexibility of a pad-based readout with the possible high granularity of a pixel-based readout. It uses the direct readout of a pad plane on a printed circuit board (PCB) via a pixel ASIC. The challenging bonding process of this chip to the PCB is laid out, together with lessons learned for a future continuation of this approach. The noise in the bonded system is measured and compared to a simulated signal, which shows that a S/N ratio of more than 10 can be achieved and this approach is viable. Next, the advantages of a high granularity TPC readout for PID are studied in an abinitio TPC simulation. The conventional method to measure dE/dx, charge summation, improves moderately with increasing granularity. Below a few 100 µm pad size, the cluster counting approach becomes effective, which reconstructs the number of primary ionisation clusters. This number has a better correlation to the particle’s momentum than its summed charge, allowing for an increase in PID, which is quantified and laid out. An extrapolation to the ILD TPC shows that with square pads of 1 mm height the effective dE/dx resolution would improve by about 20 % with charge summation, and by another 20 % with cluster counting, requiring a pad height below 300 µm. Furthermore, tracking-based PID is studied in a full-ILD simulation, focusing on dE/dx, but also including V0-finding and TOF. A dE/dx calibration strategy for MC productions is laid out. The dE/dx performance is combined with TOF, highlighting its complementarity. Finally, the investigated PID is applied to physics analyses of ILC events in full-ILD simulation. Using TOF, kaons produced in the ILC collisions can be selected and the kaon mass can be measured, with the remaining statistical uncertainty depending on the i assumed timing resolution. Given the luminosity of the full ILC programme at 500 GeV of 4 ab−1 , the statistical error on the kaon mass for a realistic timing performance would suffice to resolve the current tension of the two leading existing measurements. In the second analysis, tracking-based PID is applied to the flavour tag in hadronic W decays to separate first from second quark generation decays. It is shown to provide additional information independent of the LCFIPlus flavour tag, which is currently used as a default. This allows to select second generation decays with higher efficiency, increasing the usable statistics at high required purities by several 10 %. The quantitative gain depends strongly on the actually achievable dE/dx resolution: with the ILD design dE/dx resolution of 4.5 % this increase is about 27 % at a purity of 0.99, with a worse dE/dx resolution of 7 % it would shrink to around 10 %. If on the other hand a dE/dx resolution of 2.6 % could be achieved, i.e. with the novel readout technology pioneered in this thesis, the increase would even reach 45 %.