Kurzfassung
Zufällige Schwankungen und deren Auswirkungen sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Einige sind banal, wie die Verteilung von Kaugummiflecken auf den Fliesen eines Bahnsteiges, andere sind selten, wie die Gewinnsträhne in Ihrem Lieblingsbrettspiel und wieder andere sind bezaubernd, wie der zufällige Windstoß, der im Herbst das Laub aufwirbelt. Wir beobachten sie in physikalischen Phänomenen aller Längenskalen, angefangen bei der kosmischen Hintergrundstrahlung über die Brownsche Bewegung von einzelnen Staubteilchen, bis hin zu den Zerfallsraten elementarer Teilchen. Die Erforschung zufälliger Schwankungen war von großer Bedeutung für die Entwicklung der statistischen Mechanik sowie der Quantenphysik.
Aus dem Blickwinkel der Statistik betrachtet wissen wir, dass es unterschiedliche Arten von Zufälligkeit gibt, die wir mit Hilfe von einer Zufallsvariable X und ihrer Wahrscheinlichkeisverteilung pₓ beschreiben können. Ferner erlaubt das Wissen über Erwartungswerte der Form ⟨X⟩, ⟨X²⟩, . . . , welche auch Momente von X genannt werden, die eindeutige Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilung pₓ und damit die Bestimmung der Art der Zufälligkeit von X.
Im Wissenschaftszweig des single-particle imaging (SPI) manifestiert sich Zufälligkeit in der Verteilung von Rotationszuständen einzelner Teilchen. Die Analysemethode der Fluktuationsröntgenstreuung (FXS) setzt sich zum Ziel, das Konzept von statistischen Momenten mit SPI zu Verbinden und die vorhandenen Schwankungen zu ihrem Vorteil zu nutzen. FXS kann als natürliche Erweiterung zur Untersuchung des gemittelten Beugungsbildes ⟨I⟩ verstanden werden, die eine übliche Analysemethode für Klein- und Weitwinkelröntgenstreuung (SAXS/WAXS) ist. Im Speziellen hat FXS zum Ziel, die in Erwartungswerten der Form ⟨I⟩, ⟨I²⟩, . . . enthaltenen Informationen über die Teilchenstruktur sowohl zu charakterisieren als auch zu extrahieren und sucht damit im doppelten Sinne nach Struktur in der Zufälligkeit. Obwohl sie zwischen Ende der 1970er und Anfang der 1980er entwickelt wurde [1–3], sind Anwendungen von FXS erst kürzlich durch das Aufkommen von Freien Elektronen Laser im Röntegenbereich (XFEL) möglich geworden. Interessanterweise nutzen XFELs ebenfalls zufällige Schwankungen, da sie zur Erzeugung von kohärenten Röntgenpulsen extrem hoher Intensität auf den Prozess der selbstverstärkenden spontanen Emission (SASE), also die Verstärkung von Röntgenrauschen, zurückgreifen. Ihre Entwicklung machte es möglich diffraction before destruction Experimente mit einzelnen biologischen Teilchen durchzuführen [4–10], deren Möglichkeit zuvor prognostiziert wurde [11–13]. Experimente dieser Form erlauben die Messung von Beugungsbildern der zu untersuchenden Teilchen in einzelnen zufälligen Orientierungszuständen. Neben FXS führte dies auch zu der Entwicklung des zuvor erwähnten single-particle imaging (SPI) [14–18], welches hochauflösende Strukturbestimmung in Aussicht stellt. Fluktuationsröntgenstreuung teilt dieses Potential mit SPI [19, 20], ist jedoch zusätzlich in der Lage die Struktur einzelner Teilchen aus Beugungsbildern von Mehrteilchensystemen abzuleiten [21]. Diese Eigenschaft macht FXS besonderes interessant für die Untersuchung von in Lösungen vorliegenden Teilchen. Zudem kann FXS in modelierungsbasierten Analysemethoden eingesetzt werden, um dynamische Prozesse in optisch angeregten Molekülen zu untersuchen [22].
Die vorgelegte Dissertation verfolgt drei Ziele. Zu Beginn führt sie eine verallgemeinerte vtheoretische Beschreibung von Fluktuationsröntgenstreuung ein. Daraufhin beschreibt sie die Entwicklung und Anwendung einer Softwaresuite [23], welche die Strukturbestimmung einzelner Teilchen basierend auf FXS Messungen ermöglicht. Es werden sowohl simulierte als auch experimentelle Datensätze untersucht. Zuletzt beschreibt sie eine Erweiterung von FXS, die es ermöglicht, Systeme von Teilchen zu betrachten, deren Rotationswahrscheinlichkeitsverteilungen keine Gleichverteilung ist. Dies ist zum Einen von Interesse für die Analyse von optisch angeregten Molekülen [22, 24–26] und zum Anderen für Untersuchungen von molekularer Ausrichtung [24].
Random fluctuations and their representations are ubiquitous in our everyday life, some are mundane like the distribution of bubblegum on floor tiles at train stations, others are rare like a winning streak in your favorite board game and yet others are mesmerizing like the sudden gust of wind that swirls up leaves in autumn. In physics we have observed them in phenomena at all length scales, from the cosmic microwave background over the Brownian motion of dust grains down to decay rates of fundamental particles. Their study has been extremely influential and sparked the development of statistical mechanics as well as quantum physics. From a mathematical perspective statistics has taught us that there are different kinds of randomness which can be described by the probability distribution pₓ assigned to a random variable X. Moreover the, knowledge about averages of the from ⟨X⟩, ⟨X²⟩, . . . , called moments of X, uniquely determines pₓ , i.e. the kind of randomness of X. In the field of single-particle imaging (SPI) randomness manifests itself in the distribution of rotation states of several instances of the particle to be imaged. The technique of fluctuation X-ray scattering (FXS) seeks to merge the concept of statistical moments with SPI and use randomness to its advantage. It can be understood as natural extension to the study of the averaged diffraction pattern ⟨I⟩, which is a common analysis method in Small- and Wide-angle X-ray scattering (SAXS/WAXS). Specifically, FXS aims to characterize the structural information that averages of the form ⟨I⟩, ⟨I²⟩, . . . contain and therefore quite literally seeks structure in randomness. Despite its development in the late 1970s and early 1980s [1–3], applications of FXS have only recently become possible with the emergence of X-ray free-electron lasers (XFEL). Interestingly XFELs themselves rely on the use of fluctuations as they produce highly intense and coherent X-ray pulses via the process of self-amplified spontaneous emission (SASE), i.e. the amplification of X-ray noise. Their introduction made it possible to carry out “diffraction before destruction” experiments on individual bio-particles [4–10], which have been theorized before [11–13]. These measurements allow to record diffraction patterns from random orientation states of the studied particles. Alongside of F XS this lead to the development of the previously mentioned single-particle imaging (SPI) technique [14–18], which holds the prospect of providing high resolution structure recovery. FXS shares this prospect with SPI [19, 20], but it also allows for single-particle reconstructions from multi-particle scattering [21]. This makes FXS especially interesting for the study of particles in solution. It can also be used in a forward modeling approach to understand dynamical changes in optically exited particles, as has been recently demonstrated [22]. This thesis pursues three goals. Firstly it aims to provide a generalized theoretical description of fluctuation X-ray scattering. The second goal is, to report on the development of a software suite [23] for single-particle structure recovery from FXS data and its applications to experimental datasets. Finally, it describes an extension to the theoretical concepts of FXS, that allows the treatment of systems of particles following arbitrary nonuniform rotational probability distributions. The latter is relevant in the analysis of optically excited particles which are known to follow nonuniform distributions [22, 24–26], as well as in studies of molecular alignment [24].