Kurzfassung
Zukünftige nukleare Abrüstungsverträge müssen ein Verifikationsregime beinhalten, um ihre Einhaltung kontrollieren zu können. Hierfür gibt es bereits einige Forschung, z.B. die International Partnership for Nuclear Disarmament Verification, in welcher über 25 Staaten gemeinsam an der Entwicklung von Prozeduren und Technologien arbeiten. Für die
Authentifizierung von nuklearen Sprengköpfen sind hierbei Gamma- und Neutronenstrahlungsmessungen vorgesehen, welche an allen Stationen der nuklearen Abrüstung – angefangen bei der Entfernung des Sprengkopfes vom Trägersystem bis hin zur Entsorgung der demontierten Komponenten – erfolgen können sollen, also sowohl am intakten Sprengkopf als auch an den einzelnen Komponenten nach der Demontage. Dabei sind Neutronenmessungen vor allen bei Sprengköpfen mit einem Plutoniumkern geeignet, da das Isotop 240Pu eine hohe Rate an Spontanspaltungen besitzt, bei denen viele Neutronen freigesetzt werden. Während die Anwendbarkeit von Strahlungsmessungen für den demontierten Spaltkern bereits demonstriert wurde, auch mit der Verwendung von sog. Informationsbarrieren, die geheime Informationen vor dem Zugriff der Inspektoren schützen, fehlen derartige Analysen für intakte Sprengköpfe, in denen aufgrund der anwesenden Materialien wie Reflektor und konventionellem Sprengstoff die Neutronensignatur stark verändert werden kann. Im Rahmen dieser Dissertation wurde daher die Anwendbarkeit von Neutronenmessungen an diesen
untersucht.
Für die durchgeführten Simulationen wurden zunächst zwei Sprengkopfmodelle entwickelt: ein Spaltsprengkopf und ein modernerer thermonuklearer Sprengkopf. Der Spaltsprengkopf basiert auf einem von Fetter et al. entwickelten Modell [Fet+90], während das Modell des thermonuklearen Sprengkopfes neu entwickelt wurde.
Im Rahmen der Abrüstungsverifikation sollen zwei verschiedene Prinzipien der Neutronenmessung durchgeführt werden: Neutronenzählen und Multiplizitätsmessungen. Neutronenzählen kann vor allem die Anwesenheit von Spaltmaterial bestätigen. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass trotz der Absorption in wasserstoffreichen Materialien genügend Neutronen aus dem Sprengkopf emittiert werden, dass diese sich deutlich vom Hintergrund abheben. Folglich können Neutronenmessungen verwendet werden, um die Anwesenheit von Plutonium zu bestätigen. Wird neben der absoluten Flussdichte auch das Spektrum der emittierten Neutronen untersucht, so kann auch die Anwesenheit von Sprengstoff (mit Einschränkungen)
bestätigt oder widerlegt werden, da dieses wasserstoffhaltige Material die Neutronen moderiert. Allerdings kann die Moderation auch im Beton der Baustrukturen der Abrüstungsanlage erfolgen, weshalb die Reflexion von Neutronen von Baustrukturen in den Detektor verhindert werden muss.
Mit Multiplizitätsmessungen soll die Masse des Spaltkerns bestimmt werden. Hierbei wird ausgenutzt, dass bei einer Spaltung mehr als ein Neutron freigesetzt werden kann, welche in zeitlicher Koinzidenz gemessen werden können. Das bei der Bestimmung der Masse verwendete Rechenmodell basiert auf einigen Annahmen, von denen diejenigen, die nur auf der Probe und nicht auf dem Detektionssystem beruhen, in dieser Arbeit untersucht wurden.
Dabei wurde gezeigt, dass keine dieser Annahmen im Rechenmodell für die beiden in dieser Arbeit untersuchten Sprengkopfmodelle gerechtfertigt ist. So werden nur etwa 77% der Neutronen im Spalt- und 90% derjenigen im thermonuklearen Sprengkopf im Plutonium und zudem etwa 5% der Neutronen in beiden Sprengköpfen nicht durch Spaltung generiert, was im Rechenmodell nicht berücksichtigt wird. Darüber hinaus werden mehr als 40% der Neutronen in beiden Sprengköpfen ohne Induzierung von
Spaltung absorbiert, was im Rechenmodell explizit ausgeschlossen wird. Hierdurch kommt es zu einer Verzerrung bei der Bestimmung der Masse. Im Rechenmodell wird zudem angenommen, dass die induzierten Spaltungen einer Spaltkaskade zeitgleich mit dem Start der Kaskade durch Spontanspaltung stattfinden, weshalb die Kaskade als eine Superspaltung
behandelt wird. Dies ist in intakten Sprengköpfen stark verletzt, weshalb das gesamte Rechenmodell in Frage gestellt werden muss. Auch die Annahme, dass alle generierten Neutronen die gleiche Spalt- und Detektionswahrscheinlichkeit aufweisen, ist bei intakten Sprengköpfen nicht erfüllt. Um die hierdurch verursachte Verzerrung der Massenbestimmung
aufzulösen, wurden für nackte Plutoniumproben Korrekturfaktoren eingeführt, welche auf der Geometrie der Probe beruhen. Da diese bei intakten Sprengköpfen aufgrund der Geheimhaltung nicht bekannt ist, kann diese Korrekturtechnik nicht verwendet werden.
Aufgrund der Vielzahl an Absorptionen im Sprengkopf werden im Vergleich zu einem nackten Plutoniumkern deutlich weniger korrelierte Neutronen (Neutronen aus der gleichen Spontanspaltung) emittiert. Zudem werden diese auch in einem deutlich größerem Zeitraum emittiert, was die Wahrscheinlichkeit zur Detektion korrelierter Neutronen, wozu diese in nerhalb eines bestimmten Zeitfensters in den Detektor gelangen müssen, ebenfalls deutlich reduziert.
Aufgrund der nicht-erfüllten Annahmen des Rechenmodells und der verzögerten Emission der Neutronen aus den intakten Sprengköpfen ist es somit nicht möglich, an diesen eine Massenbestimmung des Spaltkerns mit Multiplizitätsmessungen vorzunehmen.
Future nuclear disarmament treaties have to include a verification regime in charge of overseeing the compliance with the treaty. There already is a lot of research relating to nuclear disarmament verification. The International Partnership of Nuclear Disarmament Verification includes more than 25 countries and works on the development of procedures and technologies therefor. The authentication of nuclear warheads will include gamma and neutron radiation measurements. These are supposed to take place at all steps of the disarmament sequence, starting at the removal of the warhead from the associated delivery system and ending at the disposal of the dismantled components. Therefore, radiation measurements shall be performed on intact warheads as well as on dismantled components. Neutron measurements are especially suited for warheads with plutonium cores as the isotope 240Pu has a high probability for spontaneous fission which is accompanied by a high emission of neutrons. While the applicability of neutron measurements has been demonstrated for the naked plutonium core, including information barriers which ensure that inspectors do not gain access to sensitive information, no such investigation has taken place for intact nuclear warheads. Warheads include other components besides the fission core, for example a reflector and conventional high explosives, which can alter the neutron signature significantly. Therefore, in this thesis, the applicability of neutrons measurements on intact nuclear warheads has been investigated. For the performed simulations, models of a fission warhead and a more modern thermonuclear warhead have been developed. The fission warhead is based on the model by Fetter et al. [Fet+90] which is widely used in the disarmament community. The model of the thermonuclear warhead on the other hand has been developed specifically for this thesis. For the verification of nuclear disarmament, two different neutron measurements shall take place: total neutron counting and neutron multiplicity counting. Total neutron counting can be used to verify the presence of fissile material. In this thesis, it was shown that the flux of emitted neutrons in the presence of neutron-absorbing, hydrogenrich materials is sufficient to be well above the background level. Hence, neutron counting can be used to verify the presence of plutonium. If the spectrum of the emitted neutrons is recorded, it can be used (with limitations) to verify or falsify the presence of high explosives. This is due to the effect that hydrogen moderates the passing neutrons. Unfortunately, neutron moderation can also take place in concrete building structures of the dismantlement facility. Therefore, the reflection of neutrons on building structures and their subsequent entering into the detector volume has to be prevented. Neutron multiplicity counting is used to determine the mass of the fission core. It utilises the fact that in a nuclear fission, more than one neutron can be emitted which leads to detecting the neutrons in timely coincidence. The calculation model used to determine the mass is based on some assumptions. If those are not met, the determined mass will be biased. The assumptions on the sample but not the detection systems have been analysed in this thesis. It has been shown that for both warhead models none of the assumptions have been met. Only about 77% of the neutrons of the fission warhead and about 90% of the ones of the thermonuclear warhead are generated by the plutonium core. In addition, about 5% of the neutrons are not generated by fission. Both these effects are not included in the calculation model. Moreover, about 40% of the neutrons are captured inside the warhead without inducing fission which is explicitly forbidden by the model. Hereby the determination of the mass will be biased. In the calculation model, it is also assumed that all the induced fissions take place simultaneously with the spontaneous fission which is the start of the cascade. As a consequence, the cascade is treated as a super fission. This assumption is seriously violated for intact warheads, wherefore the total calculation model has to be questioned. Additionally, the assumption of equal fission and detection probability for all generated neutrons is not met for intact warheads. To remove the resulting bias for naked plutonium probes, different correction factors have been introduced which are based on the geometry of the probe. For intact warheads, the geometry is considered sensitive and therefore unknown. Hence, this technique cannot be used to determine correction factors. The great number of absorptions inside the warheads leads to a smaller number of correlated neutrons (neutrons generated by the same spontaneous fission) compared to the naked plutonium core. Furthermore, the neutrons are emitted from the warhead in a greater period of time which leads to a reduced probability to detect correlated neutrons as they have to be detected during a fixed gate. Due to the unfulfilled assumptions and the delayed emission of neutrons from intact warheads it is not possible to use neutron multiplicity counting to determine the mass of the fission core of an intact warhead before dismantlement.