Die aus hochaufgelösten Intensitätsdatensätzen von Röntgenbeugungsexperimenten bestimmte Elektronendichteverteilung einer Kristallstruktur ermöglicht nicht nur die Bestimmung der atomaren Koordinaten und Schwingungsparameter, sondern verschafft darüber hinaus erweiterte Kenntnisse über die auftretenden chemischen Bindungen oder gegebenenfalls über ein Ladungstransfer zwischen den Atomen. Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Elektronendichte des relativ großen, pharmazeutisch interessanten Moleküls Cyclosporin A (C62H111N11O12) gewesen, um herauszufinden, ob die mittlerweile zur Verfügung stehenden experimentellen Möglichkeiten und Auswertemethodiken auch auf derart große organische Strukturen angewendet werden können. Die dabei eingesetzte experimentelle Messmethodik ist einer kritischen Betrachtung unterzogen worden und hat die Entwicklung einer neuen Methode zur Korrektur von Intensitätsdaten von Flächendetektoren für hochauflösende Kristallstrukturanalysen notwendig gemacht.
Diese Notwendigkeit resultiert daraus, dass bei Röntgenbeugungsexperimenten für hochauflösende Kristallstrukturanalysen (dmin = 0.5 Å und höher) hohe Photonenenergien, für Kristalle organischer Substanzen im Bereich von 20 keV und höher, von großem Vorteil sind, da hierdurch systematische Fehler wie Absorption und Extinktion minimiert werden. Weiterhin ermöglichen nur Flächendetektoren zusammen mit intensiver Synchrotronstrahlung Intensitätsdatensammlungen innerhalb der zur Verfügung stehenden Messzeiten, besonders für Kristalle mit großen Einheitszellen. In handelsüblichen Flächendetektoren sind jedoch die Phosphorschichten nur für Photonenenergien zwischen 8 keV und 12 keV optimiert, sodass die detektierten Reflexintensitäten bei höheren Photonenenergien systematisch fehlerbehaftet und somit auch die abgeleiteten atomaren Parameter, wie zum Beispiel die atomaren Verschiebungsparameter (Temperaturfaktoren) oder Bindungselektronendichten, systematisch fehlerhaft sind. Dieser Effekt ist abhängig vom Einfallswinkel der Strahlung auf die Detektoroberfläche und von der Photonenenergie. In der Literatur vorgeschlagene Korrekturverfahren erwiesen sich als nicht brauchbar beziehungsweise als unzureichend.
Für die zu untersuchende Elektronendichtestudie an Cyclosporin A sind die Röntgenbeugungsexperimente an Einkristallen dieser Substanz bei tiefen Temperaturen an der an der "Swiss Light Source" (SLS) durchgeführt und die Intensitätsdatensätze mit der entwickelten Methode korrigiert worden. Anschließend ist die Struktur von Cyclosporin A mit dem Multipolmodell nach Hansen und Coppens verfeinert worden, welches auch in der Lage ist, die Deformation der atomaren Elektronendichte aufgrund von Bindungseffekten zu beschreiben. Hierfür mussten aufgrund der Größe dieser Struktur die entsprechenden Programme erst angepasst werden. Aus dieser Studie sind physikalische und chemische Eigenschaften quantitativ bestimmt worden, wie die Topologie der Elektronendichte, das elektrostatische Potential und die atomaren Volumen und Ladungen. Diese Eigenschaften und Charakteristiken des Moleküls stimmen qualitativ mit den Erwartungen aus der Chemie und vergleichbaren Studien aus der Literatur an kleineren Molekülen überein. Dies bedeutet, dass der Einsatz von Synchrotronstrahlung und die mittels der entwickelten Intensitätskorrektur erzielte Genauigkeit der Reflexintensitäten auch für größere Moleküle eine Analyse der Elektronendichte mit der Präzision erlaubt, wie man dies bei kleineren Molekülen gewohnt ist. Weiterhin zeigt diese Studie, dass die Auswerte- und Verfeinerungsmethoden auch für Strukturen dieser Größe anwendbar sind.
A charge density analysis of a crystal structure using high resolution X-ray diffraction intensity datasets enables to deduce not only atomic coordinates and displacement parameters but also more detailed insights into chemical bonding or charge transfer effects.The aim of this work has been the electron density study on the relatively large and pharmaceutical interesting molecule cyclosporine A (C62H111N11O12) in order to investigate the currently available experimental possibilities and analysis methods for larger organic structures. The applied experimental measurement method has been evaluated thoroughly and has accented the need for the development of an oblique incidence correction for intensity data from high resolution crystal structure analysis datasets (beyond d = 0.5 Å) collected using area detectors.
This issue is due to the application of hard X-rays for X-ray diffraction experiments, for crystals of organic substances about 20 keV and higher, since it has the advantage of minimising systematic errors like absorption and extinction. Furthermore, only area detectors enable the collection of intensity data necessary within a practical time frame, especially for crystals with large unit cells. However, since current area detectors are optimised for photon energies between 8 keV and 12 keV only, the detected reflection intensities are systematically wrong for harder X-rays. Hence, the deduced atomic parameters, e.g. the atomic displacement parameters (temperature factors) or bond electron densities, will be subject to systematic errors as well. This effect is dependent on both the angle of incidence of the radiation onto the detector surface and the photon energy. Suggested correction methods in literature have been proven to be unusable or insufficient.
For the electron density study on cyclosporine A, X-ray diffraction experiments with single crystals have been carried out at low temperatures at Swiss Light Source (SLS). The developed oblique incidence correction has been applied to these datasets. Subsequently, the structure has been refined using the multipole model by Hansen and Coppens, which takes into account the deformation of the atomic electron density due to chemical bonding effects. The applied programs needed to be adjusted because of the large size of the molecule. Thus, the electron density has been studied in detail. The resulting physical and chemical characteristics have been quantified, such as the topology of the electron density, the electrostatic potential and the atomic volumes and charges. The results are in agreement with the expectations of chemistry and comparable studies on small molecules in literature. Thus, the reflection intensities, which are obtained by the developed intensity correction, are appropriate for a detailed charge density determination even for relatively large structures. With these results, it is shown for the first time that it is even feasible to carry out a detailed charge density analysis of a crystal structure of this size.