Kurzfassung
Das zugrunde liegende Thema dieser Dissertation ist Doppel-Parton-Streuung (Double Parton Scattering, DPS), ein Nukleon-Nukleon-Streuprozess, bei dem zwei Partonen von jedem Nukleon einzeln miteinander kollidieren, um zwei unabhängige harte Wechselwirkungen einzugehen. Während diese Art von Prozessen normalerweise in Bezug auf die klassische Einzel-Parton-Streuung (Single Parton Scattering, SPS) unterdrückt ist, kann DPS unter bestimmten Umständen einen erheblichen Beitrag zum gesamten Wirkungsquerschnitt leisten, was DPS zu einem wichtigen Konkurrent für sein SPS-Gegenstück macht. Darüber hinaus kann die Untersuchung von DPS einen Einblick in die dreidimensionale Struktur des Nukleons geben, da ihre Auswirkungen stark von den Korrelationen zwischen Partonen abhängen. Eine solide theoretische Beschreibung von DPS wurde in den letzten Jahrzehnten erstellt, wobei ein Hauptergebnis darin besteht, dass der gesamte Wirkungsquerschnitt ausgedrückt werden kann durch harten Parton-Streuquerschnitten (identisch mit denjenigen in der Einzel-Parton-Streuung) und Zwei-Parton-Verteilungsfunktionen (DPDs), die eine nicht triviale Erweiterung der Einzel-Parton-Verteilungsfunktionen (PDFs) darstellen und die nichtperturbativen Effekte der partonischen Wechselwirkungen im Nukleon enthalten. DPDs können nicht experimentell wie die PDFs bestimmt werden, da ihr Effekt für die meisten Observablen vom SPS-Untergrund überlagert wird. Dennoch kann die DPS-Phänomenologie untersucht werden, indem physikalisch motivierte Modelle für die funtionale Form in bestimmten Grenzen des Phasenraums angenommen werden.
Der erste Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Formalisierung des letzten wichtigen fehlenden Schritts im Faktorisierungsbeweis für den Doppel-Drell-Yan-Prozess (wobei zwei Leptonpaaren erzeugt werden): d.h. der Entkopplung der weichen Gluonen von den kollinearen Matrixelementen. Der Beweis basiert auf denjenigen, die Collins, Soper, Sterman (CSS) in den 80er Jahren in Bezug auf den Einzel-Drell-Yan-Prozess in SPS durchgeführt haben. Um diesen Beweis zu erbringen, verallgemeinern wir die Diskussion von CSS und müssen eine wichtige Hypothese lockern, auf der diese beruht, nämlich die Vernachlässigung der weichen Transversalimpulse. Wir führen auch einen Formalismus für die Anwendung der Ward-Identität-Argumente ein, die im Verlauf des Beweises verwendet werden. Unser Ergebnis ist auf die Art und Weise, wie es erreicht wurde, leicht auf den Fall verallgemeinerbar, dass N harte Prozesse in einer Nukleon-Nukleon-Kollision vorliegen.
Im zweiten Teil konzentrieren wir uns auf die numerische Behandlung von DPDs und PDFs. Wir beschreiben einen effizienten Algorithmus zur Lösung der DGLAP-Evolutionsgleichungen für Einzel- und Doppel-Partonverteilungen. In Bezug auf PDFs erreicht unsere Methode eine Präzision, die um ein Vielfaches höher sind als die, die mit derzeit verfügbaren Methoden erzielt werden, wobei eine wesentlich geringere Datenmenge verwendet wird. Bei DPDs erreichen wir ebenfalls eine ausreichende Präzision und können erstmals ihre NLO- und NNLO-Evolution mit variabler Anzahl von Flavours implementieren. Der Algorithmus basiert auf der Verwendung der Chebyshev-Interpolation in den Impulsbruchteilen der Partonen und in ihres transversalen Abstandes. Der von letzterem unabhängige Evolutionsalgorithmus kann auf einfache Weise vom PDF- zum DPD-Fall erweitert werden. Dieser Algorithmus wurde in einer C++-Bibliothek namens ChiliPDF implementiert, die von Grund auf neu entwickelt wurde und in naher Zukunft öffentlich verfügbar sein wird. Mit diesem neuen Werkzeug untersuchen wir die DPD-Luminositäten in einer Reihe von Fallbeispielen, die für DPS-bezogene Observablen relevant sind, und zeigen ein Beispiel für die Auswirkung von Quark-Massen-Effekte auf die DPS-Phänomenologie.
The underlying theme on which this Thesis develops is double parton scattering (DPS), which is a nucleon-nucleon scattering process in which two partons from each nucleon collide individually with one another to undergo two independent hard interactions. While these types of processes are usually suppressed with respect to the classic single parton scattering (SPS), there are some circumstances in which DPS can give sizeable contributions to the overall cross section, making DPS an important competitor to its SPS counterpart. Furthermore, the study of DPS can give insight into the three-dimensional structure of the nucleon, since its effects strongly depend on the correlations between partons. A solid theoretical description of DPS has been established in the last decades, with one main result being the expression of its full cross section in terms of the hard partonic cross sections – identical to their single-parton counterparts – and the double parton distribution functions (DPDs), which are a nontrivial extension of the parton distribution functions (PDFs), and contain the non-perturbative effects of partonic interactions within the nucleon. DPDs cannot be determined experimentally like PDFs, because their input is submerged by the SPS background for most observables. Nevertheless, DPS phenomenology can be studied by assuming physically-motivated models for the distributions’ shapes in certain limits of the phase space. The first part of the Thesis concerns the formalization of the last important missing step in the factorization proof for double Drell-Yan scattering in DPS (where two lepton pairs are produced), that is the decoupling of the soft gluons from the collinear matrix elements. The proof is based on the ones carried out by Collins, Soper, Sterman (CSS) in the ’80s regarding the single Drell-Yan process in SPS. In order to perform this proof we generalize the discussion made by CSS, being forced to relax one important hypothesis on which the latter is based, namely the neglect of the soft transverse momenta. We also introduce a formalism for the application of the Ward-identity arguments that are used in the progression of the proof. Our result, in the way it has been achieved, is easily generalizable to the case of N hard processes in a nucleon-nucleon collision. In the second part we focus on the numerical treatment of DPDs and PDFs. We describe an efficient algorithm for the solution of the DGLAP evolution equations for single and double parton distributions. Regarding PDFs, our method reaches accuracies that are multiple orders of magnitude higher than the ones obtained by currently available methods, using a significantly smaller amount of data. For DPDs we also reach adequate accuracies, and we are able to implement their NLO and NNLO evolution with variable number of flavours for the first time. The algorithm is based on the use of Chebyshev interpolation in the partons’ momentum fractions and in their transverse separation. The evolution algorithm, being independent of the latter, can be extended in a straightforward way from the PDF to the DPD case. This algorithm has been implemented in a C++ library, ChiliPDF, that has been developed from scratch, and will be made publicly available in the near future. We use this newly developed tool to study DPD luminosities in a set of sample cases that are relevant for DPS-related observables, showing an example of the effects of the quark masses on DPS phenomenology.