Natascha Rudolf, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2014 :

"Untersuchungen der Wasserstoffemissionslinien von klassischen T Tauri Sternen: Entfernung tellurischer Linien, physikalische Bedingungen im emittierenden Gas und Rötung"


"Studying Hydrogen Emission Lines from Classical T Tauri Stars: Telluric Line Removal, Physical Conditions in the Emitting Gas, and Reddening"



Schlagwörter: Young Stars, Classical T Tauri Stars, Telluric lines, Reddening
PACS : 97.21.+a, 95.75.Fg, 97.10.Gz
Volltext

Summary

Kurzfassung

Während ihrer Entstehung durchlaufen Sterne verschiedene Entwicklungsphasen, bevor sie die Hauptreihe erreichen. Sie bilden sich durch den gravitativen Kollaps von molekularen Wolken. Die Erhaltung des Drehimpulses erfordert es, dass die Massenakkretion nicht radial, sondern von einer Scheibe aus stattfindet. Sterne mit niedriger Masse, die sich in einer Entwicklungsphase befinden, in der sich das meiste Material in der Scheibe befindet und der Stern nicht mehr in der Wolke verborgen ist, werden klassische T Tauri Sterne (CTTS) genannt. Diese Arbeit befasst sich mit der zirkumstellaren Umgebung dieser Sterne.

Die Untersuchungen basieren auf VLT/X-Shooter-Spektren von 20 Sternen mit unterschiedlichen Spektraltypen und Massenakkretionsraten. Die X-Shooter-Spektren decken zeitgleich einen Spektralbereich von etwa 3000 Angström bis etwa 25 000 Angström bei einer mittleren Auflösung (R ~ 10 000) ab. Ein wichtiger Schritt der Datenreduktion ist die Entfernung der tellurischen Linien, die die Erdatmosphäre dem Spektrum hinzufügt. An Stelle der Nutzung beobachteter tellurischer Standardsterne verwende ich Modelle der atmosphärischen Transmission, die an die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt der Beobachtung angepasst sind, um diese Kontamination zu entfernen.

Für die Analyse von CTTS-Spektren ist es sehr wichtig die Stärke der Rötung zu kennen, daher nutze ich eine neue Methode um die Rötung zu messen. Das Verhältnis von emittierten Wasserstofflinien mit dem selben oberen Niveau ist unabhängig von den Bedingungen im Gas und gegeben durch Konstanten, die aus der Atomphysik bekannt sind. Somit kann eine Differenz zwischen den beobachteten und den theoretischen Linienverhältnissen nur durch die Rötung verursacht werden. Die Messung der Extinktion für mehrere Linienpaare mit dem selben oberen Niveau auf diese Weise erlaubt es mir, neue Extinktionswerte AV für sechs Objekte zu bestimmen. Obwohl die Form des Rötungsgesetzes mit dieser neuen Methode ebenfalls untersucht werden kann, finde ich aufgrund relativ hoher Fehler der Daten keine Abweichung vom üblicherweise für den Infrarotbereich genutzten Rötungsgesetz, A ~ λ-1.84.

Das aktuelle Modell der Akkretion auf CTTS ist das Modell des magnetisch kontrollierten Einfalls. In diesem Modell fällt das Material entlang der Magnetfeldlinien in Akkretionstrichtern auf den Stern. Dieses Modell erklärt die wesentlichen Merkmale, die wir bei CTTS beobachten, jedoch sind die physikalischen Eigenschaften des emittierende Gases noch unklar. Die Temperatur T und die Elektronendichte ne im Gas können aus einer Analyse von Wasserstoffemissionslinien bestimmt werden. Ich messe die Flüsse der Wasserstoffemissionslinien der Paschen- und Brackett-Serie und vergleiche die Linienverhältnisse der höheren Paschen-Linien zu Pabeta, Brgamma zu den höheren Paschen-Linien und der höheren Brackett-Linien zu Brgamma mit den Vorhersagen der sogenannten Fall-B-Modelle für rekombinierenden Wasserstoff. Die Fall-B-Modelle nehmen an, dass das Gas in der Lyman-Serie optisch dick ist und optisch dünn in allen anderen Ubergängen. Dies ergibt Temperaturen zwischen 500 K und 5000 K und Dichten zwischen 109 cm-3 und 1010 cm-3. Eine große Quelle für Unsicherheiten in dieser Analyse ist die Entrötung der Linienflüsse. Allerdings ergeben die Fall-B-Modelle selbst bei Objekten, bei denen die Entrötung plausibel erscheint, oft keine statistisch gute Übereinstimmung mit den Daten. Dies wirft die Frage auf, ob die Annahmen der Fall-B-Modelle die angemessene Beschreibung sind für die Bedingungen in der Region von CTTS, in der die Wasserstofflinien entstehen. Es scheint, dass allgemeinere Modelle der Linienanregung und -rekombination nötig sind um die Beobachtungen zu erklären.

Wenn die gefundenen physikalischen Eigenschaften zutreffend sind, stimmen sie mit den Vorhersagen von magnetosphärischen Akkretionsmodellen bezogen auf die Dichten überein, die gefundenen Temperaturen sind allerdings niedriger. Die niedrigen Temperaturen des Gases implizieren sehr kurze Abkühlzeiten von nur einigen Minuten. Dies deutet auf die Notwendigkeit hin, das Modell des magnetisch kontrollierten Einfalls weiterzuentwickeln um weitere Prozesse und Beiträge einzuschließen, die für die Entstehung von Emissionslinien wichtig sind.

Titel

Kurzfassung

Summary

During their formation stars go through different evolutionary stages before reaching the main sequence. They form from a molecular cloud via gravitational collapse. The conservation of angular momentum requires the mass accretion to proceed not radially but from a disk. Low-mass stars at an evolutionary stage, where most material is in the disk and the star is not hidden inside a cloud any more, are called classical T Tauri stars (CTTS). This thesis deals with the circumstellar environment of these stars.

The study is based on VLT/X-Shooter spectra of 20 stars with different spectral types and mass accretion rates. The X-Shooter spectra simultaneously cover the spectral range from about 3000 Angström to about 25 000 Angström at medium resolution (R ~ 10 000). An important data reduction step is the removal of telluric lines imprinted on the spectra by the atmosphere of the Earth. Instead of using observed telluric standards, I employ models of the atmospheric transmission adapted to the weather conditions at the time of observation to remove the contamination.

For the analysis of CTTS spectra, it is very important to know the amount of reddening of the light. Therefore, I apply a new method to measure the reddening. The ratio of emitted hydrogen lines with a common upper level is independent of the conditions in the gas and given by constants known from atomic physics. Thus, a difference between the observed and the theoretical line ratios can only be caused by reddening. Measuring the extinction for several common upper level line pairs in this way allows me to determine new extinction values AV for six objects. Although the shape of the reddening law can also be tested with this new method, I do not find a deviation from the standard reddening law in the near-infrared, A ~ λ-1.84, due to relatively high uncertainties of the data.

The current model of accretion onto CTTS is the magnetically funnelled infall model. In this model, the material falls onto the star along the magnetic field lines in accretion funnels. This model explains the main features we observe from CTTS, but the physical conditions in the emitting gas are still uncertain. The temperature T and the electron density ne in the gas can be deduced from an analysis of hydrogen emission lines. I measure the hydrogen emission line fluxes in the Paschen and Brackett lines and compare the line ratios of the higher order Paschen lines to Pabeta, Brgamma to the higher order Paschen lines, and the higher order Brackett lines to Brgamma to the predictions of the so-called case B models for recombining hydrogen. The case B models assume that the gas is optically thick in the Lyman series and optically thin in all other transitions. This yields temperatures between 500 K and 5000 K and densities between 109 cm-3 and 1010 cm-3. A major source of uncertainty for this analysis is the dereddening of the line fluxes. However, even for objects where the dereddening seems reasonable, the case B models often do not provide a statistically good fit to the data. This raises the question whether the assumptions of the case B model are the appropriate description of the conditions in the hydrogen line formation region of CTTS. It seems that more general models of line excitation and recombination are required to explain the observations.

If applicable, the physical conditions found agree with predictions by magnetospheric accretion models in terms of density, but the temperatures found here are lower. The low temperatures of the gas imply very short cooling times of only a few minutes. This points towards a necessity to refine the magnetically funnelled infall model to include further processes and contributions that are important for the emission line formation.