Kurzfassung
Gasplaneten, die sich in extremer Nähe zu ihrem Zentralstern befinden, sind hohen Bestrahlungsstärken ausgesetzt. Extrem ultraviolette Strahlung und Röntgenstrahlung werden in der
oberen Atmosphäre von Planeten absorbiert, in der sogenannten Thermosphäre. Die Absorption
dieser Strahlung ionisiert das atmosphärische Gas und führt zu erhebliche Heizraten, sodass
Temperaturen von bis zu 20 000 K erreicht werden können. Solch hohe Temperaturen führen
höchstwahrscheinlich zu einer kontinuierlichen Ausdehnung der planetaren Thermosphäre, die sich
dann in der Form eines planetaren Windes zeigt. Im Extremfall kann dieser Wind einen so starken
Massenverlust verursachen, dass kleinere Gasplaneten oder die Atmosphären von terrestrischen
Planeten während deren Lebensdauer komplett verdampfen können.
Das Ziel meiner Dissertation ist ein besseres Verständnis der entweichenden Thermosphären
mittels zweier Ansätze: Erstens habe ich die planetaren Atmosphären simuliert um deren Verhalten
im Detail studieren zu können, und zweitens habe ich eine umfassende Beobachtungskampagne
angestoßen, um wichtige Systemparameter zu bestimmen, und um die besten Kandidaten für
zukünftige Transitbeobachtungen zu identifizieren.
Für den numerischen Ansatz habe ich ein neues Interface zwischen dem MHD-Programm PLUTO
und dem Photoionisations- und Mikrophysik-Simulationsprogramm CLOUDY geschrieben,
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the PLUTO-CLOUDY Interface/ (TPCI). Die Anwendung eines Simulationsprogrammes, das
den mikrophysikalischen Gleichgewichtszustand innerhalb der entweichenden Atmosphären bestimmt,
ist ein komplett neuer Ansatz. Ich habe TPCI verwendet, um die Atmosphären von
heißen Transitplaneten im nächsten Umfeld der Sonne zu studieren. Die Simulationen zeigen erhebliche
Kühlung in den Atmosphären der schwersten heißen Jupiter durch Abstrahlung. Diese
Kühlung ist stark genug um die enorme Einstrahlung auszugleichen, und führt daher zu stabilen
und kompakten Thermosphären. Diese Ergebnisse belegen somit einen Übergang in den plantaren
Atmosphären: Kleinere heiße Gasplaneten erfahren einen starken Atmosphärenverlust, während
massivere Planeten eine stabile Atmosphäre beherbergen. Beruhend auf den Simulationen habe
ich einen Korrekturfaktor bestimmt, der diesen neuen Übergang in das Model des energielimitierten
Massenverlustes einbindet. Dieses vor mehr als 30 Jahren entwickelt Modell ist weitverbreitet
zur Abschätzung des Massenverlustes von stark bestrahlten Planeten. Für die hier studierten 18
Systeme wurden außerdem theoretische Lyα-Absorptionssignale anhand der simulierten Atmosphären berechnet. Bisher wurden solche Absorptionssignale bei vier Transitplaneten gemessen.
Zum ersten Mal ist es mit meiner Methode gelungen, den beobachteten Trend in den gemessenen
Absorptionstiefen der vier Systeme zu reproduzieren.
Ferner habe ich sieben Systeme in der Umgebung der Sonne mit den Röntgenteleskopen XMMNewton
und Chandra beobachtet. Anhand der Beobachtung konnten wir die hochenergetische
Bestrahlungsstärke der planetaren Thermosphären und somit den momentanen Massenverlust
bestimmen. Die gemessenen Bestrahlungsstärken wurden auch in meine Simulationen integriert.
Zusätzlich habe ich in kurzen Beobachtungen mit dem Hubble Space Telescope die Lyα-Flüsse
von Dreien dieser Zentralsterne gemessen. Zwei der Zentralsterne wurden detektiert und sind
hell genug um eine planetare Atmosphäre in einer zukünftigen Transitbeobachtung studieren zu
können.
Die hier präsentierte Arbeit ist die erste umfassende Studie über verdampfende Atmosphären
heißer Gasplaneten in der näheren Umgebung der Sonne. Sowohl in den Beobachtungen als auch
in den Simulationen hat sich WASP-80 als vielversprechendster Kandidat für zukünftige Transitspektroskopie
herausgestellt, einmal in Hinsicht auf den Lyα-Fluss des Zentralsternes aber auch
in Bezug auf das berechnete Absorptionssignal des Planeten. Basierend auf meinen Simulationen
ermöglicht die verbesserte, energielimitierte Massenverlustformel brauchbare Abschätzungen der
Massenverlustraten von kleinen terrestrischen Planeten bis hin zu den schwersten heißen Jupitern.
Gas planets in close proximity to their host stars endure high levels of irradiation. Extreme ultraviolet radiation and X-rays are absorbed in the planets' upper atmospheres, the so-called thermospheres. The absorption of this radiation ionizes the atmospheric gas and causes substantial heating rates, leading to temperatures of up to 20 000 K. Such high temperatures likely result in a continuous expansion of the planetary thermosphere, taking the form of a planetary wind. In the most extreme cases, the permanent mass loss resulting from such a wind might be large enough to completely evaporate smaller gas planets or the atmospheres of terrestrial planets over their lifetime. The goal of my dissertation is to improve our understanding of the escaping thermospheres via a twofold approach: I simulated planetary atmospheres to study their behavior in detail and, furthermore, I initiated a comprehensive observational campaign to determine crucial system parameters and identify promising candidates for follow-up transit observations. For the numerical approach, I designed a new interface between the MHD code PLUTO and the photoionization and microphysics solver CLOUDY, /the PLUTO-CLOUDY Interface' (TPCI). The use of an equilibrium microphysics solver is a new feature in dynamical simulations of the escaping atmospheres. I applied TPCI to study the atmospheres of transiting hot gas planets in the solar neighborhood. The simulations revealed substantial radiative cooling in the atmospheres of the most massive hot Jupiters. This cooling is strong enough to balance the enormous irradiation and, thus, leads to stable and compact thermospheres. These results support the existence of a transition in planetary atmospheres, from a regime of strong escape in smaller hot gas planets to stable atmospheres in massive planets. Based on the simulations, I derived a correction factor, which incorporates this new transition into the energy-limited escape model, which is a widely used concept to derive estimates for the mass-loss rates of strongly irradiated planets that was developed more than 30 years ago. The simulated atmospheres were also used to derive theoretical Lyα absorption signals for the 18 systems studied here. Today, such absorption signals have been measured in four transiting systems and, for the first time, it was possible to reproduce the observed trend in the absorption depth in the four systems. Furthermore, I have observed seven systems in the vicinity of the Sun with the X-ray telescopes XMM-Newton and Chandra. These observations revealed the high-energy irradiation level of the planetary thermospheres and, thus, the current planetary mass-loss rates. The measured irradiation levels are also used in my simulations of the planetary atmospheres. Additionally, I have observed three targets of the X-ray sample in snapshot observations with the Hubble Space Telescope to determine the host stars' Lyα ux at Earth. Two of the three targets were detected and are bright enough to study the planetary atmospheres in future transit campaigns. The presented work is the first comprehensive study of escaping atmospheres in hot gas planets in the solar neighborhood. Based on the observations and simulations, I have identified the system WASP-80 as the most promising candidate for transit spectroscopy in terms of the host stars' Lyα flux and the planetary absorption signal. Based on my simulations, the revised energy-limited escape formula allows viable estimates of the mass-loss rates from small terrestrial planets up to the most massive hot Jupiters.