Marco Hufnagel, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2020 :

"Primordiale Nukleosynthese in der Gegenwart dunkler Sektoren mit Massen im MeV-Bereich"


"Primordial Nucleosynthesis in the Presence of MeV-scale Dark Sectors"



Summary

Kurzfassung

In dieser Arbeit betrachten wir Modelle mit verschiedenen dunklen Sektoren und untersuchen die Verwendbarkeit von Vorhersagen der primordialen Nukleosynthese zur Einschränkung des jeweiligen Parameterbereiches dieser Modelle. Dabei konzentrieren wir uns auf Modelle mit Teilchen nahe der MeV-Skala, welche im Bereich der relevanten Temperaturen weder ultra-relativistisch noch nicht-relativistisch sind. Zu diesem Zweck leiten wir ein generisches System von Gleichungen her, welches anschließend verwendet werden kann, um die Häufigkeit der leichten, im frühen Universum erzeugten, Elemente für verschiedene Szenarien vorherzusagen. Dabei berücksichtigen wir alle Effekte, welche die Erzeugung dieser Elemente potenziell beeinflussen können, einschließlich einer möglichen Modifikation der Hubble Rate und der Zeit-Temperatur-Beziehung, einer Änderung des Verhältnisses der Baryonen- und Photonenzahl aufgrund einer geänderten Anzahl effektiver Neutrinos, einer modifizierten Entkopplungstemperatur der Neutrinos und die nachträgliche Änderung der Anzahl leichter Elemente mittels Photodesintegration. In einem ersten Schritt wenden wir diese Gleichungen dann auf Modelle mit Teilchen nahe der MeV-Skala an, welche im frühen Universum zunächst erzeugt werden und anschließend entweder in dunkle oder elektromagnetische Strahlung zerfallen. Im ersten Fall sind der dunkle und der sichtbare Sektor komplett entkoppelt und wir zeigen, dass auch der Parameterraum solcher Modelle deutlich eingeschränkt werden kann, solange das Verhältnis der Temperaturen beider Sektoren ausreichend groß ist. Im zweiten Fall führt der Teilchenzerfall zu einer deutlichen Entropieinjektion in das Wärmebad des SMs und wir zeigen, dass sich die Ergebnisse unserer umfassenden Analyse deutlich von den einfachen Abschätzungen unterscheiden können, welche normalerweise für solche Szenarien herangezogen werden. Anschließend betrachten wir Modelle mit einem Dunkle-Materie-Kandidaten nahe der MeV-Skala, welcher zusätzlich in die kinematisch erlaubten SM-Teilchen, sprich Elektronen/Positronen, Photonen und Neutrinos, annihilieren kann. In diesem Zusammenhang aktualisieren wir zunächst die unter Schranke an die Masse thermischer Dunkler Materie unter Verwendung aktuellster Messergebnisse. Nachfolgend berechnen wir, welche Einschränkungen sich für den Annihilationswirkungsquerschnitt ergeben und zeigen, dass diese im Fall von $p$-Wellen unterdrückten Annihilationen, deutlich stärker sind als jene vom CMB, und sogar vergleichbar mit den Ergebnissen anderer indirekter Suchen. Abschließend betrachten wir Modelle mit selbstwechselwirkender Dunkler Materie, sowie Modelle mit Axion-ähnlichen Teilchen. Im ersten Fall zeigen wir, dass für skalare Teilchen die meisten Bereiche mit phänomenologisch relevanten Selbstwechselwirkungen bereits durch eine Kombination indirekter und direkter Suchen ausgeschlossen sind. Im zweiten Fall untersuchen wir zusätzlich die Robustheit unserer Ergebnisse und zeigen, dass unterschiedliche Effekte die Resultate zwar abschwächen können, in jedem Fall aber deutliche Einschränkungen des Parameterraums verbleiben.

Titel

Kurzfassung

Summary

In this thesis, we perform a comprehensive study of Big Bang nucleosynthesis constraints on different dark-sector models with MeV-scale particles which are neither fully relativistic nor fully non-relativistic during all relevant temperatures. To this end, we derive a generic set of equations that can be used to determine the light-element abundances for many different dark-sector scenarios. In particular, we take into account all relevant effects that might alter the creation of light elements in the early universe, including modifications to the Hubble rate and time-temperature relation, an adjusted best-fit value for the baryon-to-photon ratio due to an altered effective number of neutrinos, a modified neutrino-decoupling temperature as well as late-time modifications of the nuclear abundances due to photodisintegration. We then solve these equations for the case of dark sectors with MeV-scale particles that are created in the early universe and later decay into either dark or electromagnetic radiation. In the former case, the dark and the visible sectors are completely decoupled, and we show that even such scenarios can be severely constrained if the initial temperature ratio of both sectors is sufficiently large. In the latter case, the particle decay can instead lead to a severe entropy injection into the SM heat bath, and we show that the final constraints can be very different from the naive order-of-magnitude estimates that are usually employed for such scenarios. We then turn to the case of MeV-scale dark matter that can annihilate into all kinematically available SM states, including electrons/positrons, photons, and neutrinos. In this context, we first update the lower bound on the mass of thermal dark matter using improved determinations of the nuclear abundances. Afterwards, we calculate the corresponding constraints on the annihilation cross-section of dark matter and show that, for p-wave suppressed annihilations, the bounds from nucleosynthesis are much stronger than the ones from the CMB and even competitive with the strongest bounds from other indirect searches. Finally, we apply our results to models with self-interacting dark matter as well as to models with axion-like particles. In the former case, we show that for scalar mediators, most parts of parameter space leading to sizable self-interactions are already excluded by a combination of direct-detection experiments and constraints from nucleosynthesis. In the latter case, we further evaluate the robustness of our constraints by allowing various additional effects that may weaken the bounds of the standard scenario. We find that, while the bounds can indeed be weakened, very relevant robust constraints remain.