Malte Mrowietz, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2023 :

"Status von R-Paritäts Erhaltender Supersymmetrie nach dem LHC Run 2 und Anderen Experimenten"


"Status of R-parity Conserving Supersymmetry after the LHC Run 2 and Other Experiments"



Summary

Kurzfassung

Wenn Supersymmetrie existiert, könnte sie eine Erklärung für einige der größten Rätsel der Teilchenphysik und Kosmologie liefern. Trotz Argumenten, die für Supersymmetrie (SUSY) sprechen, ist ein direkter Nachweis für SUSY noch nicht erbracht worden. Die jahrzehntelange Suche nach SUSY an der Energiegrenze, einschließlich der 12 Jahre dauernden Suche am LHC, hat kein positives Signal erbracht. Es ist jedoch eine offene Frage, inwieweit die allgemeine Hypothese durch alle bisher gesammelten Daten eingeschränkt wurde, und es besteht die Möglickeit, dass sich SUSY in diesen Analysen manifestiert hat, aber nicht identifiziert wurde, entweder weil seine Signalstärke gering ist, oder weil seine Signaturen schwer detektierbar oder verstreut sind und nicht auf eine einzige Analysestrategie beschränkt sind. In dieser Arbeit wird das Minimal Supersymmetrische Standardmodell (MSSM) anhand einer Vielzahl von experimentellen Ergebnissen untersucht. Dabei wird das phänomenologische MSSM (pMSSM) als Ersatzmodell für das MSSM verwendet. Ein Ensemble aus pMSSM Modellen wird mittels Markov-Chain-Monte-Carlo(McMC) erzeugt, gesteuert durch Messungen der Higgs-Masse, beschränkungen durch LEP auf die Masse der Charginos und des Verzweigungsverhältnisses BR(Z → unsichtbar), sowie eine Reihe von Messungen aus dem Flavor-Sektor. Der sich daraus ergebende pMSSM-Scan ist eine diskrete Darstellung der posterioren Wahrscheinlichkeitsdichte in Bezug auf die im McMC enthaltenen Messungen und besteht aus etwa 27 Millionen pMSSM-Modellen. Das Ensemble von Modellszenarien, das aus diesem McMC gewonnen wurde, wird mit Run-2-Daten von ATLAS- und CMS-Suchen am CERN LHC, sowie mit Daten von Suchen nach dunkler Materie konfrontiert, die im Rahmen des Standardmodells der Kosmologie interpretiert werden, und mit Überlegungen zur Natürlichkeit und fine-tuning. Die Auswirkungen des LHC werden auf der Grundlage von fünf direkten SUSY-Suchen bewertet, die den 0-Lepton-Endzustand mit fehlendem Transversalimpuls + jets, den di-Lepton-Endzustand, den soft-di-Lepton-Endzustand, den multi-Lepton-Endzustand, und den Endzustand mit verschwindenden Spuren abdecken. Innerhalb des untersuchten parameterraums sind ungefähr 47% des pMSSM-Scans vom LHC ausgeschlossen, wobei der größte Beitrag von der Suche nach fehlendem Transversalimpuls + jets kommt, gefolgt von der Suche nach verschwindenden Spuren. Der LHC ist direkt sensitiv auf das leichteste supersymmetrische Teilchen (LSP) bis zu Massen von etwa 700 GeV, wobei Massen unter 500 GeV, insbesondere für Wino-artige LSP, deutlich durch die LHC Daten unterdrückt sind. Alle LSP-Massen bleiben in einigen Teilen des pMSSM möglich. Ein kleiner Überschuss in den Daten der multi-Lepton-Suche kann im pMSSM bei chargino-neutralino Massendifferenzen von etwa 100 GeV realisiert werden. Links-chirale Selektronen und Smuonen mit Massen unter 600 GeV sind stark unterdrückt, wobei Massen unter 400 GeV fast vollständig ausgeschlossen sind. Die Sensitivität gegenüber rechts-chiralen Sleptonen ist deutlich geringer und einige Modelle mit Sleptonmassen von nur 100 GeV überleben. Insbesondere massenkomprimierte Slepton-LSP-Szenarien sind auch bei sehr kleinen Sleptonmassen in der Größenordnung von 100 GeV möglich. Farbgeladene Superpartner mit Massen unter 1 TeV sind stark unterdrückt, aber nicht völlig ausgeschlossen. Gluino-Massen bis zu 2 TeV werden stark unterdrückt, Squark-Massen der ersten und zweiten generation unter 2 TeV werden in etwas geringerem Maße unterdrückt. Ein bedeutender Anteil von Modellen mit leichten Stop überlebt die LHC Daten im massenkomprimierten Parameterraum, wo das LSP nur einige Hundert GeV oder weniger leichter ist als das Stop. Direkte Suchen nach dunkler Materie schließen etwa 15% des pMSSM scan aus. Am stärksten betroffen sind Modelle mit Higgsino- oder wino-artigen LSP, als auch gemische Wino-Higgsino LSP. Direkte Suchen nach dunkler Materie schließen einer Teil der Modelle im gesamten Bereich der abgedeckten LSP-Massen aus, einschließlich großer LSP-Massen, die derzeit für den LHC unerreichbar sind. Indirekte Suchen nach dunkler Materie schließen einen sehr kleinen Teil des pMSSM Scans aus, und kein Modell dass die LHC Daten überlebt. Korrekturen höherer Ordnung, die in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden, können zu einer erheblichen Verstärkung der Einschränkung führen. Oberen Schranken auf die Reliktdichte der dunklen Materie schließen die meisten Bino-artigen LSP, die meisten Higgsino-artigen LSP mit Massen über etwa 1.2 TeV und Wino-artigen LSP mit Massen über etwa 1.8 TeV aus, was den LHC gut ergänzt. Untere Schranken für die Reliktdichte schließen sukzessiv Modelle mit größerem LSP massen von Wino- und Higgsino-artigen LSPs aus, wobei eine Reliktdichte über 10% der derzeitig besten Messung zum Ausschluss von LSP Massen unter etwa 600 GeV, und LSP Massen unter etwa 300 GeV für Wino- bzw. Higgsino-artige LSP führt. Diese Massenbereiche liegen innerhalb der Reichweite des LHC. Für Reliktdichte innerhalb von 10% der Messung überleben Modelle mit Higgsino-artige LSPs mit Massen bei etwa 1.1 TeV, Wino-artige LSPs bei Massen von etwa 1.7 TeV, und Wino-Higgsino-gemischte LSPs dazwischen. Einige Modelle mit einem gemischten Bino-LSP oder reinen Bino-LSP innerhalb der A-Trichter-Region bleiben möglich. Die Einschränkungen aus der direkten Suche nach dunkler Materie ergänzen die Einschränkungen durch die Reliktdichte, insbesondere bei Modellen mit gemischten Wino-Higgsino-LSPs. Niedriges fine-tuning is größtenteils unvereinbar mit den LHC Daten falls zusätzlich verlangt wird dass das LSP die gesamte dunkle Materie ausmacht. Allerdings bleiben sogenannte natürliche Szenarien mit geringem fine-tuning in Regionen des pMSSM mit geringerer Reliktdichtesättigung möglich und ein kleiner Teil der Modelle mit LSP Massen von etwa 350 GeV und chargino-neutralino Massendifferenzen von etwa 1 GeV überlebt alle Einschränkungen. Die Interpretationen und Limits von vereinfachten Modellen werden mit den Schlussfolgerungen aus der MSSM-Studie verglichen. Es zeigt sich, dass die aus den vereinfachten Modellen gewonnene Intuition mit wenigen Ausnahmen in krassem Gegensatz zur Analyse des vollständigen Modells steht und daher potenziell irreführend ist. Die einzigen Unterräume des pMSSM, für die die Schlussfolgerungen mit den Limits des vereinfachten Modells übereinstimmen, sind Unterräume mit einem bino-artigen LSP, für die farbige Superpartner die Wirkungsquerschnittegegenüber elektroschwachen dominieren.

Titel

Kurzfassung

Summary

Supersymmetry, if it describes our universe, may provide an explanation for some of the most vexing puzzles in particle physics and cosmology. Despite arguments that support supersymmetry (SUSY) as a general hypothesis, direct evidence for SUSY is yet to be observed. Decades of searches for SUSY at the energy frontier, including 12 years of searches performed at the LHC, have failed to turn up a positive signal. However, it is an open question to what extent the general hypothesis has been constrained by all of the data collected so far, and it is an open possibility thatSUSY has manifested in these analyses but was not identified, either because its signal strengthis small or because its signatures are challenging or spread out rather than confined to a single analysis strategy. This thesis presents a study of the viability of the Minimal Supersymmetric Standard Model (MSSM) given a wide variety of experimental results. It makes use of the phenomenological MSSM (pMSSM) as a proxy model for the MSSM. The pMSSM is sampled by means of Markov chain Monte Carlo (McMC), steered by measurements of the Higgs mass, constraints from LEP on the mass of the charginos and on the branching ratio BR(Z → invisible), and a suite of measurements from the flavor sector. The resulting pMSSM scan is a discrete representation of the posterior density with respect to the measurements included in the McMC, consisting of 27 million pMSSM models. The ensemble of model scenarios procured from this McMC are confronted with Run 2 data from ATLAS and CMS searches at the CERN LHC, as well as with data from dark matter measurements and searches interpreted within the standard model of cosmology, and with considerations from naturalness and fine tuning. The LHC impact is evaluated on the basis of five direct SUSY searches, covering the 0-lepton missing transverse momentum + jets final state, the di-lepton final state, the soft-di-lepton final state, the multi-lepton final state, and the final state featuring disappearing tracks. Within the considered parameter space, approximately 47% of the pMSSM scan is excluded by the LHC, with the largest impact coming from the missing transverse momentum + jets search, followed by the search for disappearing tracks. The LHC is directly sensitive to the mass of the lightest supersymmetric particle (LSP) up to 700 GeV, with masses below 500 GeV significantly disfavored by the data, particularly for wino-like LSPs. All LSP masses remain viable in some parts of the pMSSM. A small excess in the data seen by the multi-lepton search is well fit by the pMSSM at a chargino-neutralino mass difference of approximately 100 GeV. Left-chiral selectrons and smuons with masses below 600 GeV are severely disfavored, with masses below 400 GeV almost entirely excluded. Sensitivity to right-chiral sleptons is significantly smaller, with surviving models featuring slepton masses as small as 100 GeV. Mass-compressed slepton LSP scenarios remain particularly viable even for very small slepton masses of order 100 GeV. Colored superpartners with masses below 1 TeV are strongly disfavored, but not completely excluded. Significant suppression is evident up to a gluino mass of 2 TeV, and to a lesser degree for first and second generation squarks with masses below 2 TeV. A significant population of models with light stop survive in the compressed model space, namely where the LSP mass is only a few hundred GeV or less below the stop mass. Direct detection constraints are found to exclude approximately 15% of both the LHC prior and posterior densities. They are most constraining on models with a higgsino-like LSP or a wino-like LSP, especially mixed wino-higgsino scenarios. A fraction of models are excluded in the whole range of scanned LSP masses, including large LSP masses that are currently out of reach for the LHC. Constraints from indirect dark matter detection exclude a very small fraction of the LHC prior, and no part of the LHC posterior density. Higher-order corrections not included in this study may lead to a significant strengthening of the constraint. Constraints in the form of upper bounds on the dark matter relic density exclude most bino-like LSP, most higgsino-like LSP with a mass above 1.2 TeV, and wino-like LSP with a mass above 1.8 TeV, complementing the LHC well. Lower bounds on the relic density progressively exclude models with larger LSP mass for wino-like and higgsino-like LSP, with a requirement on the relic density of at least 10% of the current best measurement excluding LSP masses below 600 GeV, and below 300 GeV for wino-like and higgsino-like LSP, respectively. These mass ranges are within the reach of LHC sensitivity. For the region of the relic density within 10% of the measurement, surviving models include higgsino-like LSPs at LSP masses of approximately 1.1 TeV, wino-like LSPs with masses of approximately 1.7 TeV, and wino-higgsino mixed LSPs in between. Some models with mixed-bino LSP, or pure bino LSP inside the A-funnel region, survive. Constraints from direct detection complement these constraints, particularly for models with wino-higgsino mixed LSPs. Low fine tuning is largely incompatible with LHC data if additionally requiring that the LSP account for all dark matter. However, so-called natural models with low fine tuning remain viable in regions of the pMSSM with lower relic density saturation, and a small sliver of models with LSP masses of approximately 350 GeV and chargino-neutralino mass difference of approximately 1 GeV survives all constraints. Interpretations and limits within simplified model limits are compared with conclusions drawn drom the MSSM study. It is found that, with a small number of exceptions, the intuition garnered from simplified models is in stark contrast with the full model analysis, and are thus potentially misleading. The only subsets of the pMSSM for which conclusions coincide with simplified model limits are subsets with a bino-like LSP for which colored superpartner cross sections dominate over electroweak cross sections.