Kurzfassung
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, das Feld der Röntgenmikroskopie weiterzuentwickeln. Hierbei ist die erreichbare Auflösung durch Abbildungsfehler begrenzt, was die Charakterisierung von Aberrationen zu einer entscheidenden Aufgabe macht. Vor diesem Hintergrund widmet sich das hier beschriebene Promotionsvorhaben der Entwicklung und Anwendung von Verfahren, um die optischen Eigenschaften moderner Röntgenoptiken zu untersuchen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass eine Messung der Wellenfront (das Phasenprofil des Strahls, nachdem dieser durch die Linse abgelenkt wurde) kein triviales Unterfangen ist, da Detektoren lediglich Intensitätsinformation aufzeichnen können, jedoch keine Phaseninformation. Solche Phaseninformationen können hingegen durch verschiedene Verfahren erlangt werden, wie beispielsweise durch direkte Phasenmessungen (z.B. Interferometrie), durch propagationsbasierte Methoden oder durch Messungen des Phasengradients. Die in der vorliegenden Arbeit überwiegend verwendete Methode des ptychographic X-ray speckle tracking (PXST) basiert auf Messungen des Phasengradienten und wurde am DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron, Deutschland) entwickelt. In dieser Methode werden Projektionshologramme einer Probe aufgenommen, während diese schrittweise über die Wellenfront bewegt wird. Auf diese Weise können die relativen Positionen der Merkmale der Hologramme verfolgt werden, was die Messung von Winkelabweichungen der Strahlen in der Größenordnung von Nanoradiant ermöglicht. Mit der Möglichkeit Wellenfrontmessungen zu betreiben, ist ein weiteres Ziel des vorliegenden Promotionsvorhabens, den Ursprung der nachgewiesenen Aberrationen zu finden und Möglichkeiten zu entwickeln, diese zu korrigieren.
Die hier präsentierten Studien wurden an Multischicht Laue Linsen (MLL) durchgeführt, welche diffraktive Optiken sind, die Bildgebung mittels harter Röntgenstrahlung mit höchster Auflösung (unter 10 nm) und hoher Effizienz (> 60 %) ermöglichen. Damit besitzen MLL das Potenzial das Forschungsfeld der Röntgenmikroskopie signifikant voranzubringen. Wie für jede diffraktive Optik ist die erreichbare Auflösung einer MLL durch die kleinste Strukturgröße bestimmt. MLL werden durch Beschichtungsverfahren hergestellt, die es prinzipiell erlauben, Linsen mit Auflösungen von 1 nm oder besser zu realisieren. Zusätzlich sind die Schichtgrenzen gegenüber eintreffenden Strahlen um den entsprechenden Bragg-Winkel geneigt, was praktisch nutzbare Beugungseffizienzwerte ermöglicht. Darüber hinaus wurden numerische 'Multislice' Simulationen durchgeführt, um ein besseres Verständnis über das Beugungsverhalten von MLL zu erlangen. In dieser Simulationsmethode wird die Propagation einer eintreffenden, skalaren Welle (Röntgenstrahlen) durch ein Objekt (MLL), welches durch eine Aneinanderreihung dünner Scheiben modelliert wird, numerisch berechnet.
Im Rahmen des hier vorgestellten Promotionsvorhabens wurden verschiedene Experimente an Forschungsanlagen, wie etwa Synchrotrons (ESRF, PETRA-III, NSLS-II) oder dem European X-ray Free Electron Laser umgesetzt. In diesen Experimenten wurden Wellenfrontmessungen vorrangig mittels PXST durchgeführt. Zudem wurde die Realisierung verschiedener Bildgebungsverfahren untersucht. Der Zugang zu Synchrotrons ist beschränkt und die verschiedenen Experimente liegen typischerweise um Monate auseinander. Allerdings wird für die weitere Entwicklung von Röntgenoptiken eine schnelle und verlässliche Messung benötigt. Aus diesem Grund wurde als Teil dieses Promotionsvorhabens eine Röntgenanlage im Labor konstruiert, in Betrieb genommen und geprüft. Die Anlage nutzt eine Röntgen-'Microsource' hoher Brillianz und ermöglicht die Durchführung von PXST Messungen. Besonders im späteren Teil des Promotionsvorhabens wurde die Anlage intensiv für Wellenfrontmessungen von MLL genutzt. Des Weiteren wurden Messungen der Beugungseffizienz von Gittern in Laue-Geometrie durchgeführt, deren Ergebnisse den theoretischen Erwartungen entsprachen. Durch die Charakterisierung der Aberrationen in MLL, die aus sukzessiven Beschichtungen hergestellt wurden, war es möglich, ein Modell der Beschichtungskorrektur zu prüfen und so iterativ Schichtdickenfehler in nachfolgenden Beschichtungen auszugleichen. Dieses Verfahren ermöglichte die Herstellung von MLL, die verglichen mit den in vorherigen Synchrotronexperimenten verwendeten Linsen 120-fach reduzierte Aberrationen aufwiesen. Die verbesserten MLL wurden in einem nachfolgenden Experiment an der NSLS-II eingesetzt und zeigten eine Fokusgröße von 4.1 nm × 4.0 nm (horizontal × vertikal), was die kleinste Fokusgröße darstellt, die bisher für Röntgenstrahlen nachgewiesen wurde. 'Scanning transmission X-ray'-mikroskopische (STXM) Aufnahmen demonstrieren eine Auflösung unter 10 nm entlang der vertikalen Achse. Ebenfalls untersucht wurde die Möglichkeit der Aberrationskorrektur mittels refraktiver Korrekturoptiken ('Phase plates'), bestehend aus Metall (Silber) oder einem Polymer. In letzterem Fall konnte eine Reduktion der Aberrationen um 32 % (im quadratischen Mittel) erreicht werden, welche in Übereinstimmung mit den theoretischen Erwartungen steht. Das Konzept eines 'Compound refractive correctors' (CRC) wurde vorgeschlagen, um die Korrektur stärkerer Aberrationen mittels refraktiver Korrekturoptiken zu ermöglichen. Hierzu wurde eine fortgeschrittene Software entwickelt, die aus den Ergebnissen der Wellenfrontmessungen ein Modell generiert, das mittels eines kommerziellen 2-Photonen-Polymerisationssystems gedruckt werden kann. In einer ersten, experimentellen Studie konnte mittels eines CRC eine Verringerung der absoluten Aberrationen um etwa 81 % demonstriert werden.
Die systematischen Studien zur Wellenfrontcharakterisierung (z.B. mittels PXST) bestätigten, dass die Messungen korrekte und reproduzierbare Ergebnisse produzierten. Zusätzlich erlaubten die Erprobung der PXST Methode in einer Laboranlage die Anfertigung von speziell zugeschnittenen Korrekturoptiken und verbesserten Röntgenoptiken (z.B. MLL). Damit sind mit weiterführender Arbeit in dieser Richtung Fokusgrößen von 1 nm in greifbarer Nähe.
The achievable resolution in hard X-ray microscopy is limited by inherent lens aberrations, which makes the characterization of wavefront aberrations a critical task for pushing the limits of microscopy. The main goal of this thesis is to develop and employ techniques to test state-of-the-art X-ray optics. Measuring the wavefront (the phase profile of the beam after being deflected by the optic) is no trivial task as detectors can only record the intensity, but not the phase. This phase information can be retrieved by different techniques, such as direct phase measurements (e.g. interferometry), propagation based methods or phase gradient measurements. Here we mainly employ the phase gradient measurement technique ptychographic X-ray speckle tracking (PXST), which was developed in-house at DESY (Germany). In PXST, angular deviations of the ray paths are measured with nanoradian precision by tracking the relative positions of speckles (or, indeed, any feature) in projection holograms, which are recorded as a sample is scanned across the wavefront. With the capability of performing wavefront metrology, this thesis furthermore aims to investigate the origin of the aberrations and to develop methods to correct them. The aberration studies were performed on multilayer Laue lenses (MLLs), which are diffractive optical elements that show the potential to tremendously advance the field of hard X-ray microscopy as they can attain high diffraction efficiency (> 60 %) and enable high resolution (sub-10 nm) imaging. Just as for any diffractive lens, the achievable resolution of an MLL is determined by the smallest structure period. MLLs are made by layer deposition techniques that support the fabrication of lenses with 1 nm resolution or better. Moreover, the layers of MLLs are tilted respect to the incident beam in order to satisfy the Bragg condition for usable diffraction efficiency. In order to obtain a better understanding of the optical properties of MLLs, different lens designs were simulated with the multislicing method. In this method an incident scalar wave (X-rays) is being numerically propagated through an object (MLL), which is modelled by a set of thin slices. During this PhD thesis several experiments were performed at large scale facilities such as synchrotrons (ESRF, PETRA III, NSLS II) and European X-ray Free Electron Laser. In these experiments wavefront aberrations of wedged MLLs were measured primarily with the PXST method. In addition, different imaging modalities were explored. Access to synchrotrons is limited and beamtimes are typically months apart. On the other hand the development of X-ray optics relies on quick and reliable feedback. This is why part of this PhD thesis was also dedicated to setup, commission and test a lab-based X-ray facility. This facility utilizes a bright microfocus X-ray source and has full capability for PXST measurements. Especially in the later part of this PhD thesis this facility was used extensively for wavefront characterization of MLLs. Moreover, measurements of the diffraction efficiency of multilayer Laue gratings were realized with this instrument, confirming the theoretically predicted performance. Measuring the wavefront aberrations of MLLs from successive depositions allowed us to verify a model of the systematic zone placement errors in MLLs and to iteratively correct for aberrations by modifying the deposition parameters. This approach reduced wavefront aberrations by a factor of 120 as compared to MLLs employed in previous experiments. The deposition-corrected MLLs were used for imaging in an experiment at NSLS-II and they focused X-rays to 4.1 nm × 4.0 nm (horizontal × vertical), which is a record (the smallest) focus size for X-rays. Scanning transmission X-ray microscopy (STXM) images of a high-resolution Siemens star test pattern demonstrated a sub-10 nm imaging resolution along the vertical direction. Furthermore, the possibility to correct aberrations with a refractive corrector (phase plate) was demonstrated for metal-based and polymer-based phase plates. For the latter case, a reduction of the root mean square aberrations by 32 % was demonstrated, which is in agreement with the expected effect of the phase plate. In order to enable the compensation of larger wavefront aberrations without reducing the effective aperture size due to the phase plate’s attenuation, the concept of a compound refractive corrector (CRC) is proposed and a user-friendly software was developed to generate 3D models that are printable with a commercial two-photon photopolymerization system. In a first experimental study on CRCs, an 81 % reduction of the root mean square wavefront aberrations was demonstrated. The systematic studies on wavefront characterization (e.g. via PXST) validated that the wavefront measurements are correct and reproducible. Commissioning and testing the PXST method in a lab-based X-ray facility enabled us to systematically develop phase plates and corrected X-ray optics (e.g. MLLs). With continuing work in this direction focusing hard X-rays to 1 nm spot sizes is now within reach.