Henry Vincent Gieseler, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2023 :

"Untersuchung der molekularen Basis von Strahlenresistenz in Proteinen & Oxidative Modifikationen von SARS-CoV-2 Mpro "


"Investigating the molecular basis of radiation resistance in proteins & Oxidative modifications of SARS-CoV-2 Mpro"



Summary

Kurzfassung

Die Natur der biologischen Strahlenresistenz ist eine Frage, die Forscher seit der Entdeckung extrem strahlenresistenter Organismen wie Deinococcus radiodurans fasziniert und inspiriert. Bis heute wurden viele eng koordinierte Mechanismen identifiziert, die zur Entstehung des Phänotyps der extremen Strahlenresistenz führen, aber erst im letzten Jahrzehnt wurde festgestellt, dass der Proteomschutz wichtiger für das Überlebendes Organismus ist als der DNA-Schutz. Ziel dieser Arbeit ist es, auf molekularer Ebene zu verstehen, wie sich Proteinsequenz und -struktur entwickelt haben, um die schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung in der Umwelt abzuschwächen. Um systematisch zu untersuchen, ob die Aminosäurenzusammensetzung (Primärsequenz) die Ursache für die Strahlungsresistenz eines Proteins ist, wurden freie Aminosäuren, insbesondere Tryptophan, zu mehrere Proteinkristallen hinzugefügt und die durchschnittliche Reaktion auf eine Strahlenbelastung mit ihren Apo-Gegenstücken verglichen. Anhand von Dosisreihenmessungen und Online-UV/Vis-Spektroskopie wurden die Auswirkungen auf die globalen und spezifischen Schädigungsraten analysiert. Dabei zeigte sich, dass für Lysozym, Thaumatin, AcNiR und 4HB1 keine signifikante Strahlenschutzwirkung durch die Ergänzung eines Proteinkristalls mit Tryptophan erzielt werden konnte. Interessanterweise überlebte ein 4HB1-Kristall, der mit 100 mM Tryptophan getränkt worden war, eine absorbierte Gesamtdosis von 182,3 MGy (halbe Dosis von 64,43 MGy). Obwohl die genauen Bedingungen, die zu diesem Ergebnis führten, nicht reproduzierbar waren, stellt dieses Ergebnis einen noch nie dagewesenen Fall von extremer Strahlungstoleranz in einem intensiven Röntgenstrahl dar und wurde daher in die Analyse einbezogen. Es wurde eine bioinformatische Studie durchgeführt, in der die Aminosäurezusammensetzung strahlenresistenter Bakterien analysiert und mit 8000 Bakterienproteomen verglichen wurde. Die Aminosäureverteilung der strahlenresistenten Organismen zeigte keine gemeinsame Tendenz zu einer bestimmten Aminosäure oder Kombination von Aminosäuren. Das Clustering einer Teilmenge von 200 Proteomen aus jeder Domäne zeigte, dass die phylogenetische Abstammung aus der Aminosäurezusammensetzung vorhergesagt werden kann, das Phänomen der extremen Strahlenresistenz jedoch nicht. Dieses Ergebnis unterstützt die Schlussfolgerung, dass es keine einzelne Aminosäure oder eine Kombination davon gibt, die die Quelle für die Strahlungsresistenz eines Proteins ist. Oxidative Modifikationen sind bei Cysteinproteasen keine Seltenheit und es wurde gezeigt, dass sie die enzymatische Aktivität beeinflussen und sogar hemmen können. Aktuelle Proteinstrukturen der SARS-CoV-2 Hauptprotease (Mpro) weisen auf ähnliche Modifikationen hin, obwohl das Enzym natürlicherweise im Zytosol exprimiert wird, das als reduzierend gilt. Um festzustellen, ob diese Modifikation ein Artefakt der Aufreinigungsstrategie ist und welche Auswirkungen eine solche Modifikation auf die Enzymaktivität sowie auf aktuelle Bemühungen zur Entwicklung von Inhibitoren des aktiven Zentrum hätte, wurde Mpro unter aeroben Bedingungen aufgereinigt (analog zu den meisten Studien), aerobe Bedingungen ohne Einsatz von Reduktionsmitteln und anaerobe Bedingungen. Röntgenbeugungsdaten von Mpro aus beiden aeroben Aufreineinigungen weisen auf oxidative Modifikationen des katalytischen Cys145 im aktiven Zentrums hin. Mittels Massenspektrometrie konnte gezeigt werden, dass Mpro in Gegenwart von Reduktionsmitteln nur dann oxidiert wird, wenn die Wirksamkeit der Reduktionsmittel nachlässt, z.B. während langer Kristallisationszeiten, jedoch nicht während der Aufreinigung selbst. Ohne Reduktionsmittel ist spätestens nach 12 Tagen zu erwarten, dass Mpro-Moleküle Sulfensäure (-SO) und Sulfinsäure (-SO2)-Modifikationen am katalytischen Cys145 enthalten. Infolgedessen weist das oxidierte Enzym eine etwa 50 % niedrigere Spezifitätskonstante als unmodifiziertes Mpro für das Substrat Ac-Abu-Tle-Leu-Gln-AMC auf. Durch die Aufreinigung und Kristallisation von Mpro unter anaeroben Bedingungen zeigt diese Studie, dass die Oxidation des Enzyms vermieden werden kann und daher wahrscheinlich ein Artefakt der in vitro Proteinhandhabung ist.

Titel

Kurzfassung

Summary

The nature of biological radiation resistance is a question that has fascinated and inspired researchers since the first discovery of extremely radiation resistant organisms like Deinococcus radiodurans. To date many tightly coordinated mechanisms have been identified that lead to the emergence of the phenotype of extreme radiation resistance but only in the last decade was it found that proteome protection constitutes survival not DNA protection. This thesis aims to provide a molecular understanding of how protein sequence and structure evolved to mitigate the damaging effects of ionising radiation in the environment. To systematically study whether the amino acid composition (primary sequence) is the source of a protein radiation resistance free amino acids, specifically tryptophan, has been soaked into multiple protein crystals and the average response to radiation insult has been compared with their apo counterparts. By collecting dose series measurements and using online UV/Vis spectroscopy the effect on global and specific damage rates has been analysed, showing that for lysozyme, thaumatin, AcNiR and 4HB1 no significant radio protective effect could be achieved by supplementing a protein crystal with tryptophan. Interestingly, one 4HB1 crystal that had been soaked with 100 mM tryptophan survived a total absorbed dose of 182.3 MGy (half dose of 64.43 MGy). Although the exact conditions leading to this result were not reproducible, this result constitutes an unprecedented case of extreme radiation tolerance in an intense X-ray beam and was hence included in the analysis. A bioinformatics study has been performed, which analysed the amino acid composition radiation hard bacteria and compared them with 8000 bacteria proteomes. The amino acid distribution of radiation resistant organisms showed no common bias towards a particular amino acid or combination of amino acids. Clustering a subset of 200 proteomes from each domain showed that the phylogenetic filiation can be predicted from the amino acid composition, the phenomenon of extreme radiation resistance however can not be predicted. This result supports the conclusion that there is no single amino acid or combination thereof that are the source of a proteins radiation resistance. Oxidative modifications are not uncommon in cysteine proteases and have been shown affect and even inhibit enzymatic activity. Recent structures of the SARS-CoV-2 main protease (Mpro) show indications for similar modifications despite the fact that the enzyme is naturally expressed in the cytosol which is considered to be of reducing nature. To determine whether this modification is an artefact of the purification strategy and what impact such a modification on the enzyme activity as well as recent active-site drug screening efforts would have, Mpro was purified under aerobic conditions (as reported by most studies), aerobic conditions without the use of reducing agents and anaerobic conditions. X-ray diffraction data of Mpro from both aerobic purifications indicate oxidative modifications of the active site Cys145. Using mass spectrometry, we could show that in the presence of reducing agents Mpro is only oxidised when the effectiveness of reducing agents decays, e.g. during long crystallisation periods but not during the purification itself. Without reducing agents at latest after 12 days Mpro molecules can be expected to contain sulfenic acid (-SO) and sulfinic acid (-SO2) modifications at the active site Cys145. As a result the oxidised enzyme has a specificity constant approximately 50 % lower than unmodified Mpro for the substrate Ac-Abu-Tle-Leu-Gln-AMC. By purifying and crystallising Mpro under anaerobic conditions this study shows that the oxidation of the enzyme can be avoided and is therefore likely an artefact of the in vitro enzyme processing.