Kurzfassung
Diese kumulative Dissertation widmet sich der Erforschung von ultralangreichweitigen Rydberg-Molekülen (ULRM). Diese bestehen aus einem hochangeregten Rydberg-Atom und einem oder mehreren Atomen im Grundzustand und treten in ultrakalten, atomaren Quantengasen auf. Die Molekülbindung entsteht durch die anziehende Wechselwirkung des Rydberg-Elektrons sowohl mit dem positiv geladenen, ionischen Kern des Rydberg-Atoms im Coulomb-Potential, als auch mit den neutralen Atomen durch Streuung bei sehr niedriger kinetischer Energie. Diese Wechselwirkung zwischen einem Elektron und einem neutralen Atom kann durch ein verallgemeinertes Fermi-Pseudopotential modelliert werden, das s- und p-Wellen-Streuung berücksichtigt. Im Rahmen der Born-Oppenheimer-Näherung ergeben sich dadurch oszillierende Potentialkurven, die gebundene Vibrationszustände mit gigantischen Bindungslängen von tausenden Bohr'schen Atomradien aufweisen. Wir erhalten diese Potentiale durch Diagonalisierung des elektronischen Hamiltonians in einem finiten Basissatz bestehend aus Elektronorbitalen oder unter Verwendung der Green'schen Funktion des Coulomb-Problems. Die dazugehörenden Vibrationszustände ergeben sich aus der Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung mit Hilfe von Finite-Differenzen-Methoden und Diskrete-Variablen-Repräsentierung.
In dieser Arbeit befassen wir uns mit drei unterschiedlichen Aspekten von ULRM: Den ersten Schwerpunkt stellt der Einfluss von Spin-Wechselwirkungen und externen Magnetfeldern auf die Struktur zweiatomiger Moleküle dar. Eine vollständige Beschreibung des Systems muss sowohl die Elektron-Spins von beiden Valenzelektronen als auch die Kernspins und deren Wechselwirkung untereinander berücksichtigen. Wenn der dominierende Beitrag der Wechselwirkungen durch s-Wellen-Streuung gegeben ist, bietet der Einfluss des Magnetfelds auf die Spin-Struktur, aufgrund der Mischung von Singlet- und Triplet-Streukanälen, die Möglichkeit zur Kontrolle der molekularen Bindungsenergien. Im Falle dominierender p-Wellen-Streuung ermöglicht die zugrundeliegende Feinstruktur des ionischen Systems aus neutralem Atom und Elektron einen spezifischen Mechanismus, durch den sich das Molekül mit einer bestimmten Orientierung relativ zur Magnetfeldachse ausrichtet. Wir machen uns die experimentelle Beobachtung dieser Ausrichtung des Moleküls zu Nutze um ein Präzisionsexperiment zur Messung der ionischen Feinstruktur durchzuführen. Auch ohne externe Magnetfelder können wir die Spin-Spin- und Spin-Bahn-Wechselwirkungen durch spezifische Zwillings- und Drillings-Substrukturen in den Zustandsenergien der Moleküle experimentell nachweisen.
Der zweite Schwerpunkt ist die Formulierung konkreter Anwendungen von ULRM innerhalb eines größeren physikalischen Rahmens. Wir schlagen eine bestimmte Klasse von ULRM, die durch Singlet, p-Wellen-Streuung entstehen, als den idealen Anfangszustand für die Photoassoziierung von sogenannten schweren Rydberg Systemen vor. Schwere Rydberg Systeme bestehen aus einem gebundenen Paar entgegensätzlich geladener Ionen. Diese ähneln einem Rydberg-Atom, in dem das Elektron durch ein Ion gleicher Kernmasse ersetzt wurde. Darüber hinaus identifizieren wir konische Durchschneidungen in den Potentialflächen von zweiatomigen ULRM, die durch den adiabatischen Parameter, der den nuklearen Abstand angibt, und durch die synthetische Dimension der Elektronenenergie aufgespannt werden. Diese konischen Durchschneidungen haben experimentell zugängliche Auswirkungen auf die Übergangsraten von Drehimpulsveränderungen des Rydberg-Elektrons, die durch Zusammenstöße von Rydberg-Atomen mit Atomen im Grundzustand verursacht werden. Dafür bedarf es einer theoretischen Betrachtung, die über die Born-Oppenheimer-Näherung hinaus geht. Außerdem führen wir eine erste Untersuchung der Quantendynamik von ULRM, die sich in einem externen elektrischen Feld befinden, durch. Dies ebnet den Weg für die weitere Erforschung von Zerfalls- und chemischen Prozessen bei ultrakalten Temperaturen. Die Zeitentwicklung des quantenmechanischen Wellenpakets wird durch die multiconfigurational time-dependent Hartree-Methode berechnet, welche die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung ab initio löst.
Der letzte Schwerpunkt ist die Formation von dreiatomigen ULRM, die aus einem Rydberg-Atom und zwei Atomen im Grundzustand bestehen, wobei sich das Rydberg-Elektron in einem gemischten Zustand hoher Drehimpulse befindet. In diesem Fall vermittelt das Elektron eine nicht triviale Dreikörper-Wechselwirkung zwischen den Atomen. Stabile Gleichgewichtskonfigurationen des dreiatomigen Moleküls können mit Hilfe eines einfachen Aufbauprinzips von den Zuständen eines zweiatomigen Moleküls abgeleitet werden. Die verschiedenen Klassen dreiatomiger Moleküle weisen extrem unterschiedliche geometrische Anordnungen auf. Auch die Stärke der Bindung in Bezug auf unterschiedliche Freiheitsgrade des Moleküls kann stark variieren, was dazu führt, dass in einigen Fällen die verschiedenen Schwingungsmoden adiabatisch entkoppeln.
In this cumulative thesis, we investigate ultra-long-range Rydberg molecules (ULRM), consisting of one highly excited Rydberg atom and one or several ground-state atoms, and occuring in ultracold atomic quantum gases. The molecular binding mechanism is based on the attractive Coulomb interaction between the Rydberg electron and the positively charged core of the Rydberg atom, as well as on the attractive low-energy electron--atom scattering off the neutral atoms. This electron--atom interaction can be modeled by a generalized Fermi pseudo potential including s- and p-wave contact interactions. In the Born-Oppenheimer approximation, this spawns oscillatory adiabatic potential energy surfaces that support vibrational bound states whose huge bond lengths are on the order of thousands of Bohr radii. We obtain these potentials via diagonalization of the electronic Hamiltonian within a finite basis set of electronic orbitals or via Green's function methods. The corresponding vibrational eigenstates are retrieved from solutions of the time-independent few-body Schrödinger equation using finite difference methods and discrete variable representations. Our research spans different aspects of ULRM. One focus is the impact of spin interactions onto the diatomic molecular structure in the presence of an external magnetic field. The description of the molecular system includes the electronic spins of the atomic valence electrons as well as the nuclear spins and their interactions. In the case of dominant s-wave scattering, the spin structure allows for control over the molecular binding energy via the mixing of the singlet and triplet scattering channels. In the case of dominant p-wave scattering, the underlying fine structure of the ionic electron--atom system engenders a unique alignment mechanism of the molecular axis with respect to the field axis. The experimental observation of this alignment is utilized to perform a high-precision measurement of the ionic fine-structure splitting. In the absence of external fields, the presence of spin-spin and spin-orbit interactions is experimentally confirmed by unique doublet and triplet substructures of the vibrational levels. A second focus is the formulation of specific applications of ULRM in broader physical frameworks. We propose a certain class of ULRM bound by singlet p-wave interaction as the ideal initial state for the photoassociation of a heavy Rydberg system. Heavy Rydberg systems are bound pairs of oppositely charged ions that resemble a Rydberg atom, but in which the electron is replaced by a heavy anion. Beyond that, we identify conical intersections in the potential energy surfaces of diatomic ULRM spanned in the adiabatic parameter of the internuclear distance and the synthetic dimension of the electron energy. The conical intersections have observable consequences for the rates of angular-momentum-changing transitions of colliding ground-state atoms with Rydberg atoms that can be obtained from a beyond Born-Oppenheimer treatment of the coupled potentials. Furthermore, we undertake a first investigation of the nuclear quantum dynamics of ULRM exposed to external electric fields, paving the way for the study of molecular decay processes and ultracold chemistry. The wave-packet propagation is obtained from the multiconfigurational time-dependent Hartree method that solves the time-dependent Schrödinger equation ab initio. The third and final focus is on the formation of triatomic ULRM consisting of one Rydberg atom in an electronically mixed state of high angular momenta and two ground-state atoms. Here, the Rydberg electron takes the role of a mediator, inducing nontrivial inter-atomic three-body interactions. Stable trimer equilibrium configurations can be deduced from dimer states via a simple building principle. Different classes of trimers show largely varying geometric arrangement as well as confinement and, correspondingly, in some cases, the vibrational bending and stretching modes adiabatically decouple.