Frank Deuretzbacher, Dissertation, Department Physik der Universität Hamburg, 2008 :

"Spinor Tonks-Girardeau Gase und ultrakalte Moleküle"


"Spinor Tonks-Girardeau gases and ultracold molecules"



Schlagwörter: ultracold quantum gases , exact diagonalization , Tonks-Girardeau gas , Fermi-Bose mapping , strong correlations , one-dimensional systems , optical lattice , Feshbach resonance
PACS : 03.75.Mn , 03.75.Hh , 03.75.Nt , 34.20.Cf

Summary

Kurzfassung

Das Gebiet der ultrakalten Quantengase hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Das liegt auch an dem schier unerschöpflichen Werkzeugkasten der Experimentatoren, der z. B. die quantenmechanische Simulation unterschiedlichster Festkörperphänomene und die kontrollierte Durchführung chemischer Reaktionen ermöglicht, die bei ultratiefen Temperaturen sozusagen in Zeitlupe ablaufen.

Die neuesten Untersuchungsobjekte sind eindimensionale Systeme in optischen Gittern. Ein zigarrenförmiges Einschlusspotential beschränkt dabei die freie Bewegung der Teilchen auf eine Dimension, was darüber hinaus zur Folge hat, dass die effektiven Kräfte zwischen den Teilchen extrem verstärkt werden. Das führt zu starken Korrelationen zwischen den Teilchen.

In den ersten Kapiteln dieser Dissertation werden die quantenmechanischen Eigenschaften von quasi-eindimensionalen Bose-Gasen mit einer extrem kurzreichweitigen Kontaktwechselwirkung untersucht. Zu diesem Zweck wurde eine Exakte Diagonalisierung entwickelt, die eine genaue Konstruktion der Vielteilchenwellenfunktion von wenigen Teilchen ermöglicht. Als Vorbild dienten Experimente der Gruppe von K. Sengstock zu Spinor Bose-Einstein Kondensaten.

Es wurde zunächst der Einfluss der Wechselwirkungsstärke auf die Eigenschaften eines spinpolarisierten Bose-Gases untersucht. Solange die abstoßenden Kontaktkräfte zwischen den Teilchen klein sind, verhalten sie sich wie typische Bosonen, die sich bevorzugt im selben stationären Bewegungszustand aufhalten. Die Einteilchenwellenfunktion, die diesen stationären Bewegungszustand beschreibt, wird durch die repulsiven Kontaktkräfte lediglich verbreitert, um den mittleren Abstand zwischen den Teilchen zu reduzieren. Eine sehr starke (unendlich große) abstoßende Kontaktkraft hindert die Bosonen hingegen in ihrem Bestreben, den selben quantenmechanischen Zustand einzunehmen. Die unendlich starke Abstoßung simuliert vielmehr das Pauli-Prinzip, wodurch sich die Bosonen, ähnlich wie Fermionen, nicht mehr am selben Ort aufhalten können. Es wird tatsächlich beobachtet, dass Bosonen unter diesen Bedingungen viele Eigenschaften von nichtwechselwirkenden Fermionen annehmen.

Diese sogenannte Fermionisierung quasi-eindimensionaler Bosonen mit zunehmender Kontaktabstoßung wird hier im Detail anhand wichtiger Messgrößen untersucht. Dabei zeigt insbesondere die Impulsverteilung des Systems ein interessantes Verhalten. Es wird in dieser Arbeit erstmals gezeigt, dass sich bestimmte Merkmale der Impulsverteilung auch zur Bestimmung der Grenzen der oben beschriebenen typischen Wechselwirkungsbereiche eignen.

Im nächsten Schritt wird ein eindimensionales Bose-Gas mit Spinfreiheitsgraden und (unendlich) starker Kontaktabstoßung untersucht. Zu diesem Zweck wird, aufbauend auf den Ideen von M. D. Girardeau, eine vergleichsweise einfache analytische Formel für die exakten Vielteilchen-Eigenfunktionen des Hamiltonoperators entwickelt. Die verblüffende Konsequenz dieser Formel ist die Aussage, dass sich eindimensionale Teilchen (sowohl Bosonen als auch Fermionen) mit Spinfreiheitsgraden im Bereich unendlich starker Kontaktabstoßung gleichzeitig wie nichtwechselwirkende spinlose Fermionen und nichtwechselwirkende unterscheidbare Spins verhalten. Dadurch setzt sich das Energiespekrum solcher Systeme in einfacher Weise aus dem Spektrum dieser beiden Teilchensorten zusammen. Außerdem lässt sich aus der Formel der exakten Vielteilchen-Wellenfunktionen ein anschauliches Konstruktionsverfahren für die Spindichten ableiten. Es zeigt sich, dass diese einer Kette von lokalisierten Spins gleichen, deren Orientierung sich in einfacher Weise von der angegebenen Wellenfunktion ablesen lässt.

Besonders interessant ist abermals das Verhalten der Impulsverteilung, deren Form stark von der Spinkonfiguration des eindimensionalen Systems abhängt. Es zeigt sich nun auch im Impulsraum eine große Ähnlichkeit zwischen Bosonen und Fermionen. Darüber hinaus ist das Konstruktionsverfahren auch auf Isospin-1/2 Bosonensysteme anwendbar, welche sich z. B. durch Mischungen oder mit Hilfe von Zwei-Niveau Atome realisieren lassen.

Der zweite Teil dieser Arbeit widmet sich dem Gebiet der ultrakalten Chemie. In dem von C. Ospelkaus et al. durchgeführten Experiment wurden Kalium- und Rubidiumatome mit Hilfe einer Feshbachresonanz kontrolliert zur Reaktion gebracht. Dieses Schlüsselexperiment ermöglichte erst kürzlich die Herstellung von ultrakalten polaren Molekülen (im internen Vibrationsgrundzustand), wodurch in naher Zukunft möglicherweise Quantengase mit langreichweitigen Wechselwirkungen realisiert werden können. Es wird hier ein einfaches Verfahren entwickelt, welches eine genaue Beschreibung der Kalium-Rubidium Verbindung in einem dreidimensionalen optischen Gitter ermöglicht. Die dabei entwickelte Methode könnte auch für andere Mischsysteme mit großen Massenunterschieden der einzelnen Bestandteile von Bedeutung sein.

Titel

Kurzfassung

Summary

The research field of ultracold atomic quantum gases has been developing rapidly during the last years. That is due to the extremely flexible toolbox of the experimenters, which allows them to simulate for example a plenty of very different solid-state phenomena and to perform ultraslow chemical reactions in a controlled reversible manner.

One of the newest research objects are one-dimensional atomic systems in optical lattices. In cigar-shaped optical traps the free motion of the particles can be restricted to one dimension. The tight transverse confinement, moreover, extremely strengthens the effective forces leading to strong correlations between the particles.

In the first chapters of this thesis I study properties of quasi-one-dimensional Bose gases with contact interactions. For this reason I have developed an exact diagonalization approach, which allows for an accurate construction of the many-body wave function of few particles. During the development of the exact-diagonalization programming code I oriented myself on experiments, which have been performed in the group of K. Sengstock on spinor Bose-Einstein condensates.

At first I study the influence of the interaction strength on the properties of a spin polarized Bose gas. As long as the repulsive forces are weak, the particles behave like typical bosons, which favor to occupy the same single-particle state. In that regime, the main impact of the weak repulsion is a broadening and flattening of the single-particle wave function in order to reduce the mean distance between the bosons. In the opposite limit, an extremely strong (or even infinite) repulsive contact force prevents the bosons from staying at the same position, thereby mimicing Pauli's exclusion principle. Indeed it is observed that hard-core bosons behave in many respects like noninteracting fermions.

Here I study the interaction-driven fermionization of quasi-one-dimensional bosons and its effect on the most important measurable quantities. It is shown that the momentum distribution reflects the permutation symmetry and the correlations of the many-particle wave function. Moreover, it clearly distinguishes between the above mentioned interaction regimes. In this work the boundaries of these regimes are determined for small finite-size systems.

Next, I study a one-dimensional Bose gas of hard-core particles (i. e. the repulsive contact forces between the point-like particles shall be infinite) with spin degrees of freedom. For that reason an easy-to-use analytical formula of the exact many-body wave function of the highly correlated bosons is derived. The construction scheme is based on M. Girardeau's original idea of a Fermi-Bose map for spinless particles. As a striking consequence of our mapping we find that one-dimensional hard-core particles (bosons or fermions) with spin degrees of freedom behave in many respects like noninteracting spinless fermions and noninteracting distinguishable spins. Therefore, the energy spectrum of this highly correlated many-particle system can be constructed easily. Moreover, the analytical formula of the many-body wave function is the basis of an illustrative construction scheme for the spin densities, which resemble a chain of localized spins.

Again, the momentum distribution is particularly interesting. Now its form strongly depends on the spin configuration of the one-dimensional system. The momentum distribution of spinless hard-core bosons shows striking differences from that of spinless noninteracting fermions. Here, by contrast, in some spin configurations the momentum distribution of the system shows clear fermionic signatures. Moreover, the construction scheme for the wave functions is also applicable to isospin-1/2 bosons, which e. g. represent Bose-Bose mixtures and two-level atoms.

The second part of this thesis deals with the ultracold chemical reaction of K-40 and Rb-87 atoms. C. Ospelkaus et al. produced molecules from atom pairs in a controlled reversible manner by means of a Feshbach resonance. This groundbreaking experiment was an important step towards the production of ultracold polar molecules (in their internal vibrational ground state). This might enable the realization of quantum gases with long-range interactions in the near future. Here, I develop a theoretical approach for the description of the molecule formation in a three-dimensional optical lattice. This approach might also be useful for other atomic mixtures with large mass ratios.