Kurzfassung
Die Selbstenergiefunktionaltheorie (SFT) wird für die
Behandlung von Nichtgleichgewichtsproblemen verallgemeinert und
auf die Realzeitentwicklung stark korrelierter Gitterfermionen
angewandt. Unter Ausnutzung der grundlegenden Struktur der
etablierten Gleichgewichtstheorie wird der gesamte Formalismus
in der Sprache der Keldysh-Matsubara Green'schen Funktionen
reformuliert. Zu diesem Zwecke wird ein Funktional der
Nichtgleichgewichtsselbstenergie konstruiert, welches am
physikalischen Punkt stationär ist und eben dort dem
großkanonischen Potential im thermischen Anfangszustand
entspricht. So können nichtperturbative Näherungen der vollen
Selbstenergie konstruiert werden, indem das ursprüngliche
Gitterproblem auf kleinere Bezugssysteme reduziert wird und
Variationen der entsprechenden Testselbstenergien,
parametrisiert durch die Einteilchenparameter des
Referenzsystems, durchgeführt werden. Es zeigt sich, dass so
erhaltene Näherungen die makroskopischen Erhaltungssätze
respektieren, welche den zugrundeliegenden Symmetrien des
ursprünglichen Gittermodels entspringen. Im Falle des
thermischen Gleichgewichts reduziert sich der verallgemeinerte
Formalismus auf die gewöhnliche SFT. Im allgemeinen Fall müssen
allerdings Variationen berücksichtigt werden, die aus dem
physikalischen Parameterraum hinausführen. Die entsprechenden
Funktionalableitungen können jedoch analytisch berechnet
werden, so dass kausale Bestimmungsgleichungen für die
optimalen physikalischen Parameter erhalten werden und ein
realisierbares, rechnergestütztes Propagationsschema
aufgestellt werden kann. Als eine erste Überprüfung der
numerischen Umsetzung wird der variationelle Cluster-Ansatz auf
die Dynamik eines dimerisierten Hubbard-Modells angewandt,
welche durch schnelle Veränderungen seiner Tunnelparameter
ausgelöst wird. Schließlich wird die Zeitentwicklung eines
homogenen Hubbard-Modells nach plötzlichen und endlich
andauernden Einschaltvorgängen des Wechselwirkungsparameters
mittels der dynamischen Störstellennäherung untersucht. Es
finden sich zwei Bereiche unterschiedlichen Antwortverhaltens
in denen das System je in einem präthermalen Zustand verharrt
und welche durch eine kritische Wechselwirkung scharf
voneinander getrennt sind. Trotz der Einfachheit des gewählten
Referenzsystems stimmen die gefundenen Resultate mit jenen der
dynamischen Molekularfeldtheorie qualitativ gut überein. In
Analogie zum Mottübergang bei verschwindender Temperatur
entkoppelt der Badplatz vollständig vom korrelierten
Störstellenplatz am kritischen Punkt. Dieser ``dynamische''
Mottübergang kann mit seinem Gleichgewichtspendant in
Verbindung gebracht werden, indem das dynamische kritische
Verhalten vom Fall plötzlicher Parameteränderungen bis hin zum
adiabatischen quasi-statischen Fall verfolgt wird. Anhand des
periodischen Anderson-Modells wird diesem Zusammenhang weiter
nachgespürt. Im Gleichgewicht kann die Existenz eines
Mott-artigen Übergangs mittels der geometrischen Details der
Hybridisierung zwischen dem freien Leitungsband und den
dispersionslosen Störstellenorbitalen des Modells eingestellt
werden. Dieses Charakteristikum erweist sich auch im
Nichtgleichgewicht als beständig und untermauert damit
zusätzlich die Vermutung einer echten Beziehung zwischen beiden
Arten von Mottübergängen.
The self-energy functional theory (SFT) is extended to the nonequilibrium case and applied to the real-time dynamics of strongly correlated lattice-fermions. Exploiting the basic structure of the well established equilibrium theory the entire formalism is reformulated in the language of Keldysh-Matsubara Green's functions. To this end, a functional of general nonequilibrium self-energies is constructed which is stationary at the physical point where it moreover yields the physical grand potential of the initial thermal state. Nonperturbative approximations to the full self-energy can be constructed by reducing the original lattice problem to smaller reference systems and varying the functional on the space of the respective trial self-energies, which are parametrized by the reference system's one-particle parameters. Approximations constructed in this way can be shown to respect the macroscopic conservation laws related to the underlying symmetries of the original lattice model. Assuming thermal equilibrium, the original SFT is recovered from the extended formalism. However, in the general case, the nonequilibrium variational principle comprises functional derivatives off the physical parameter space. These can be carried out analytically to derive inherently causal conditional equations for the optimal physical parameters of the reference system and a computationally realizable propagation scheme is set up. As a benchmark for the numerical implementation the variational cluster approach is applied to the dynamics of a dimerized Hubbard model after fast ramps of its hopping parameters. Finally, the time-evolution of a homogeneous Hubbard model after sudden quenches and ramps of the interaction parameter is studied by means of a dynamical impurity approximation with a single bath site. Sharply separated by a critical interaction at which fast relaxation to a thermal final state is observed, two differing response regimes can be distinguished, where the system gets trapped in prethermal intermediate states. Despite the simplicity of the reference system, good qualitative agreement with previous results of dynamical mean-field theory is found. Reminiscent of the Mott transition at zero temperature the bath site decouples from the correlated impurity site right at the critical point and this ``dynamical'' Mott transition can be linked to its equilibrium counterpart by studying the crossover from the case of sudden quenches to the adiabatic quasi-static dynamics. This is further investigated by considering the periodic Anderson model, where in equilibrium the presence of a Mott-type transition can be tuned via the geometrical details of the hybridization between the free conduction band and the nondispersive impurity orbitals. This characteristic also persists in the nonequilibrium case and thus strongly supports a true interrelation between both types of Mott transitions.