Kurzfassung
Serielle Kristallographie, ursprünglich für den Einsatz an Freie-Elektronen-Röntgenlasern
entwickelt, hat neue Möglichkeiten eröffnet, Strukturen und Dynamik von Biomolekülen zu
untersuchen - und zwar bei physiologisch relevanten Temperaturen. Inzwischen findet sie auch
in Synchrotronen der dritten Generation Anwendung, wo sie erlaubt, Protein-Mikrokristalle
bei Raumtemperatur zu untersuchen, zeitaufgelöste Experimente an biologischen Kristallen
durchzuführen und Strukturen strahlungsempfindlicher Proteine zu erlangen. In letzter Zeit
ist die Erweiterung der Methode der seriellen Synchrotron-Kristallographie auf einen poly-
chromatischen Röntgenstrahl ins besondere Interesse gerückt. Ein polychromatischer Strahl
liefert einen um zwei Größenordnungen höheren Photonenfluss und ermöglicht damit eine
signifikante Reduzierung der Belichtungszeiten im Vergleich zu Synchrotron Experimenten
mit monochromatischer Röntgenstrahlung. Das wiederum ermöglicht viel kürzere Zeitskalen
bei zeitaufgelösten Beugungsexperimenten an Synchrotronen.
Die serielle Kristallographie basiert auf der Zusammenführung von Daten aus Beu-
gungsmustern von unbewegten, zufällig orientierten Kristallen, die nur einmalig Röntgen-
strahlen ausgesetzt wurden. Das unterscheidet sich signifikant von der konventionellen Kristal-
lographie, bei der ein Kristall in verschiedenen Ausrichtungen gemessen wird, während er
im Röntgenstrahl rotiert wird. Daher erfordert die serielle Kristallographie eine spezifische
Datenanalysetechnik, die in der Lage ist, einen vollständigen dreidimensionalen Datensatz von
Strukturfaktoren aus einer großen Menge einzelner unbewegter Beugungsmuster zusammen-
zustellen. Die Analyse von Daten aus der seriellen Kristallographie hat sich als ein komplexes
Problem erwiesen. Trotz der enormen Fortschritte, die in diesem Bereich im letzten Jahrzehnt
erzielt wurden, gibt es noch viel Raum für Verbesserungen.
Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung neuer Ansätze zur Verarbeitung und
Analyse von Daten aus der seriellen Kristallographie. Mehrere Experimente sowohl an FELs
als auch an Synchrotronen werden vorgestellt, um verschiedene Analysetechniken zu veran-
schaulichen. Insbesondere ist das Hauptthema dieser Dissertation die Erweiterung der beste-
henden Analysesoftware auf die serielle Kristallographie mit einem polychromatischen Strahl.
Nach der ersten Machbarkeitsstudie mit 2.5% Bandbreite und einem 15 keV Röntgenstrahl,
wird eine vollständige Datenanalyse-Pipeline für die serielle Pink-Beam-Kristallographie
entwickelt. Danach wird die Pipeline auf drei weitere Datensätze angewendet, die mit der
vollständigen Undulator Bandbreite von 5% aufgenommen wurden, was die Machbarkeit selbst
für die besonders schwierigen Fälle belegt. Die Vorteile der entwickelten Analyse-Pipeline
einschließlich der Möglichkeit der automatischen Verarbeitung großer Datenmengen und
Analyse von polychromatischen Beugungsdaten aus kleinen Kristallen unter 10 Mikrometer
Größe eröffnen neue Möglichkeiten für zeitaufgelöste Studien von irreversiblen biologischen
Reaktionen im Sub-Nanosekundenbereich an Synchrotronen.
Serial crystallography, initially developed for use at X-ray free-electron lasers, has opened new opportunities to investigate structure and dynamics of biomolecules at physiologically relevant temperatures. It has since spread out to 3 rd generation synchrotron sources where it allows us to measure protein microcrystals at room temperature, perform time-resolved experiments on biological crystals and obtain structures of radiation-sensitive proteins. Lately, extending the method of serial synchrotron crystallography to polychromatic X-ray beams has become of particular interest. Polychromatic beams provide two orders of magnitude higher photon flux, allowing significantly reduced exposure times compared to synchrotron experi- ments with monochromatic X-rays. This, in turn, allows accessing much shorter timescales in time-resolved diffraction experiments at synchrotrons. Serial crystallography is based on merging data from still diffraction patterns collected from small randomly-oriented crystals only once exposed by X-rays, which differs significantly from conventional crystallography where one crystal is measured in different orientations while being rotated in the X-ray beam. Therefore, serial crystallography requires specific data analysis techniques capable of assembling a complete three-dimensional dataset of structure factor moduli from large numbers of individual still diffraction patterns. Analysis of serial crystallographic data has proven to be a complex problem, and despite the huge progress made in the field in the last decade, there is still a lot of room for improvement. The aim of this dissertation is the development of new approaches to the processing and analysis of serial crystallographic data. Several experiments at both FELs and synchrotrons are presented to illustrate different analysis techniques. In particular, the major topic of the dissertation is extending the existing analysis software to serial crystallography with polychromatic beams. Following the first proof-of-principle study with the bandwidth of 2.5% of a 15 keV X-ray beam, a full data analysis pipeline for pink-beam serial crystallography is developed. The pipeline is then applied to three different datasets collected with the full undulator bandwidth of 5%, which demonstrates its feasibility even for the particularly difficult cases. The advantages of the analysis pipeline include the possibility of automated processing of large amounts of data, and analysis of polychromatic diffraction data from small crystals below 10 micron in size. This opens up new possibilities for time-resolved studies of irreversible biological reactions at sub-nanosecond timescales.